Susanne, Tanja und Doris

Ich verlose ja nie was. Meine Belege, die nicht an Experten und Testleser gehen, sollen alle ‪#‎WritersforMesopotamia‬ sowie ‪#‎Autorenhelfen‬ zur Verfügung stehen, aber Ostern ist mein liebstes Fest im Jahr, und ausserdem haben mir in diesen letzten zwei Wochen so viele Menschen so viel Freude gemacht, dass ich auch mal jemandem eine machen möchte.
Aber nicht irgendwem …
Corinna und ich haben bei Bestandssicht nämlich festgestellt, dass wir noch zwei Exemplare der sonst völlig abgeräumten Hatti – “Die Stadt der schweigenden Berge” – haben, und zwar zwei, die ich Intelligenzbolzen fehlgewidmet habe: eine für SUSANNE und eine für TANJA.
Sollte es hier also eine Susanne und/oder Tanja geben (oder Leute, die eine Susanne und/oder Tanja kennen), die gern eine hätte – bitte melden, und ihr bekommt sie mit SEHR persönlicher Widmung.
Ausserdem habe ich mich in Dortmund so sehr gefreut, einen Ararat “Für WILMA” widmen zu dürfen – aber ich durfte noch in keinen einzigen “Für DORIS” schreiben. Gibt’s hier eine Doris, die gern einen hätte? Dann bitte auch melden, und er kommt.
Sollten sich mehr Susannen, Tanjas und Dorisse melden, lost mein Sohn aus dem ARP-Helm. Sollten sich keine melden, überleg’ ich mir mal, wie man Susanne, Tanja und Doris umwidmen kann …
Und unter allen Gewinnern verteile ich dann noch die Handvoll Souvenirs, die von der Lesereise übrig geblieben sind. Unter anderem ein HENRY-Lesezeichen. Warum das keiner wollte, dürft ihr mich nicht fragen …

Ich freu mich!
Susanne, Tanja und Doris, ach nee,
Charlie, Hatti und Ararat

Osterhase

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Blogger bezahlen?

Da mir das Thema wichtig scheint, stelle ich meine zwei, drei Gedanken dazu auch hier ein.

Und natürlich möchte ich dabei die Gelegenheit nutzen, mit der wundervollen Video-Rezension zu protzen, die Olga Reimer meinem Roman geschenkt hat:

Seit mein Roman Ararat erschienen ist, habe ich mich mit der Frage, die im Netz herumgeht – “sollten Blogger für Rezensionen bezahlt werden?” – intensiv beschäftigt. Um ganz ehrlich zu sein: Ich wünsche mir so verzweifelt aussagekräftige Rezensionen für mein Buch, dass ich mehr als einmal in Versuchung war, unter einen der vielen Beiträge zum Thema “Rezensionen bezahlen oder nicht?” zu schreiben: “Und? Wo steht denn nun Ihre Preisliste, und wann kann ich mein Buch schicken?”
Bezahlen, dachte ich, ist immerhin ein bisschen besser als Betteln und Buhlen, um am Ende mit etwas dazustehen, das sich anhört wie ein Testbericht für Haarspray – und meilenweit gegen den Wind verrät, dass das Haarspray nicht einmal benutzt worden ist (ja, solche haben wir auch. Die teil’ ich hier aber nicht).

Warum mache ich das eigentlich nicht?, habe ich mich gefragt, und die ehrliche Antwort lautet: Weil ich Angst hatte, erwischt zu werden und dann dazustehen mit meinem Buch als “eine, die’s nötig hat.” (Mein Buch und ich haben’s nötig. Keine Frage. Aber wer will sich das schon auf einem Pappschild um den Hals hängen?)
Jetzt bin ich heilfroh.
Und weiss wieder, wie die Antwort (oder zumindest eine der Antworten)hätte lauten müssen: Weil ich eine Rezension wie die von Olga Reimer für Geld nicht hätte bekommen können. Weil ich mich nicht so darüber hätte freuen können. Und nicht mit blitzsauberem Gewissen in aller Welt damit angeben.
Bücher, die fast 800 Seiten lang sind, mit solcher Sorgfalt zu lesen und dann mit so viel Verve, Charme und Aussage zu besprechen, ist Arbeit, ohne jeden Zweifel, und ich würde mir durchaus wünschen, dass Olga Reimer dafür angemessen bezahlt wird. Das wäre verdient und nicht im Mindesten ehrenrührig – nur dürfen eben weder ich noch mein Verlag diejenigen sein, die diese Bezahlung übernehmen, denn dann würde aus einer Empfehlung, die für uns Gold wert ist, eine Anzeige. Die hat auch ihren Wert. Ist aber für alle Beteiligten etwas völlig anderes.
Wie das fair gelöst werden kann, weiss ich nicht, denke jedoch darüber nach (z.B. über die VG Wort). Dass ich mich abfinden muss, mit dem, was Leser und Rezensenten meinem Buch geben oder nicht geben, weiss ich jetzt aber wieder. Es darf nicht auch noch im Netz, in unserer “freien Wildbahn”, das Buch das meistbesprochene sein, das den Autor oder den Verlag mit dem vollsten Konto hat. Das wollen wir alle nicht, dessen bin ich sicher – weder Leser noch Autoren. Dass wir Rezensionen im Netz noch als lebendigen, echten Ausdruck von Begeisterung (oder auch Ärger!) fürs Buch erleben und glauben können, als Service von Lesern für Leser, ist eine Bank, auf der wir sitzen. Unser kleines Stück Macht, an dem der “Markt” zwar rüttelt, aber nicht kippt. Lasst uns daran doch festhalten. Wir landen sonst mit dem Hintern im Schlamm. Danke, Olga Reimer – auch wenn Sie sich nichts dafür kaufen können.

Innehalten

Ararat Kindertransport1

“Chaja Loebel, fünf Jahre alt, eine kleine Berlinerin.”

Das ist das jüdische Mädchen, das in meinem Roman auf dem Bahnhof Friedrichstrasse ohne Angehörige in einen Zug ins Leben gesetzt wurde und durch den entschlossenen Einsatz von Menschen im letzten Augenblick einem Zug in den Tod entging.

Chaja Loebel habe ich mir ausgedacht.

Aber die etlichen Chaja Loebels, die vom Bahnhof Friedrichstrasse aus allein ins Leben oder in den Tod gefahren sind, hat sich niemand ausgedacht. Sie haben wirklich gelebt. Und sie sind wirklich gestorben.

An ihrem Denkmal an der Berliner Friedrichstrasse, halte ich mit Ararat auf unserer Reise inne. Am meisten weh tut das Wissen, dass der Wunsch, wir würden nie wieder so ein Denkmal brauchen, lachhaft vergeblich ist. Sogar der, wir würden nur eins für Kinder brauchen, die allein ins Leben reisen mussten.

Ich wünschte, ich hätte mir all diese Kinder ausgedacht.

Ararat Kindertransport2

Ararat Kindertransport4

Ararat Kindertransport Tod

Ararat Kindertransport Puppe

Ararat Kindertransport5

Lesung, die letzte

Auch hier möchte ich gern noch einmal in meine eigene Trompete blasen:

Meine Lesereise mit Ararat, auf die ich mich ganz heimlich gefreut habe, seit ich beschlossen hatte, ein Buch namens Ararat zu schreiben, gehört zweifellos zu den schönsten Erinnerungen meines Lebens als Papier-Bekritzler.

Aber – sie ist schon fast zu Ende.

Ein einziges Mal noch dürfen Ararat und ich mit unserem Pimm’s, unserer Musik, unseren Requisiten und Souvenirs sowie unseren kleineren oder auch größeren Zwischenfällen vor ECHTEN LESERN auftreten. (Nein, zweimal – aber in Leipzig sind wir nur ein kleiner Teil einer Gemeinschaftslesung, die ausserdem ausverkauft ist.) Und das in Berlin, in der schönsten Buchhandlung, die ich hier kenne, und noch einmal zugunsten von Writers for Mesopotamia und damit der Syrienhilfe e.V. Knapp über 1000 Euro sind bereits zusammengekommen – über jeden weiteren freue ich mich sehr.

Es wäre so schön, noch einmal viele von euch zu sehen, mit euch sehr viel zu lachen und ein bisschen zu weinen, weil mit seinem Höhepunkt mein Traum dann zu Ende geht. Ihr findet uns

Am Samstag, 19. März 1916

Um 20 Uhr

Buchhandlung Leporello

Krokusstrasse 91, Berlin-Rudow.

Bis hoffentlich bald!

Charlie&Ararat, nun auf dem Weg nach Leipzig

Ararat Vorschau.png

Eva, Arman und La Guerre

Für die Teilnehmer meiner Leserunden, die nicht auf Facebook sind (dort habe ich unter https://www.facebook.com/groups/782362325227655/?fref=ts eine begleitende Gruppe eingerichtet, in der ich viele Bilder und Hintergrundmaterial zeige und die sich über neue Teilnehmer jederzeit freut):

In diesem Post möchte ich die drei Bilder vorstellen, die mein Mann Alan Lyne mir für meinen Roman Ararat gemalt hat:

Für meine Eva, gewidmet allen Künstlern, deren Werk als “entartet” diffamiert, geschändet, geraubt und zerstört wurde:

Evapaintingvalid

Für Arman und seine Mutter. Alan hat das Bild “Scratch in Time” genannt und findet, es ist sein bestes. Ich versteh’ nichts von Kunst. Aber ich finde, er hat Recht.

Scratch in time

La Guerre. Alan hat mit mir zusammen die Skulptur aus rotem Kalktuff, die in meinem Roman während einer Ausstellung in Paris den Namen “La Guerre” erhält aber anderswo (…) unter dem Decknamen “Henry” bekannt ist, in Gedanken entwickelt. Als Ararat fertig war, hat er einen Ausschnitt von der Skulptur, die wir im Kopf hatten, als Geschenk zum Abschluss einer einzigartigen Zeit für mich gemalt.

La Guerre valid

 

Bilder aus Urartu

Auf http://www.histo-couch.de startet heute Ararats erste Leserunde, und auf http://www.lovelybooks.de beginnt die Bewerbungsfrist.

Für alle Teilnehmer und Leser, die ansonsten Lust haben, sich beim Lesen auszutauschen, Fragen zu stellen und Bilder von Schauplätzen, Requisiten, Dokumenten anzuschauen, habe ich bei Facebook unter dem Link https://www.facebook.com/groups/782362325227655/?fref=ts eine Gruppe eingerichtet und freue mich über Besucher.

Für die, die nicht bei Facebook sind, möchte ich die Bilder auch hier einstellen. Als erstes eine Handvoll Bilder aus Urartu.

Ararats Hauptfigur Amarna arbeitet als Assyriologin für das British Museum. Ihre Leidenschaft gilt den Ruinen des altorientalischen Reiches Urartu, der Wurzel der armenischen Kultur. Sie kämpft darum, die gefährdeten Überreste dieser faszinierenden Hochkultur vor der endgültigen Zerstörung zu bewahren, weil sie davon überzeugt ist: Wer einem ausgelöschten Volk die Wurzeln raubt, wer zulässt, dass es dem Vergessen anheim fällt, bringt es ein zweites Mal um.
Sie wird dabei unterstützt von ihren Kollegen Wally, Paul und Sedat in London, Berlin und Doğubeyazıt am östlichen Rand der Türkei.

Die hier eingestellten Bilder stammen nicht aus Tuspa/Van, wo leider wenig erhalten ist, sondern aus dem überwältigend schönen Erebuni/Yerevan, wo der Besucher die einzigartige Gelegenheit hat, mit den Grundfesten einer versunkenen Königstadt ganz allein zu sein. Wir haben uns dort gefühlt wie Pioniere der Archäologie.

Die Tante, die da in ein Buch kritzelt, und das bekritzelte Buch sind Ararat und ich …

Und die letzten beiden Bilder von besonders gut erhaltenen Keilschrifttafeln aus anderen urartäischen Königsstädten stammen aus dem Vorderasiatischen Museum Berlin und dem British Museum, London.

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Die Geschichte von Gregor dem Erleuchter

Der Mann sagte nichts und sah Eva noch immer nicht an.

„Ekeln Sie sich jetzt?“

„Nein.“

„Woran denken Sie?“

„Das wollen Sie nicht wissen.“

„Sagen Sie’s mir.“

„An Gregor den Erleuchter“, sagte er.

„An wen bitte?“ Sie setzte sich auf, und das Tuch rutschte ihr von der Stirn.

„Ein Heiliger“, sagte er. „Einer, der vierzehn Jahre lang in einem Loch eingesperrt war, das Khor Virap, tiefer Brunnen, heißt, und vermutlich dachte, er kommt da im Leben nicht mehr raus.“

„Warum war er denn da drin?“

Er zuckte die unverletzte Schulter. „Das Übliche. Er war irgendwas, was die anderen nicht waren und was ihnen nicht gepasst hat. Christ. Das alles soll im dritten Jahrhundert passiert sein.“

„Und ist er wieder rausgekommen?“

Sein Mundwinkel zuckte. „Angeblich hat sich König Trdat, der ihn dort eingesperrt hatte, in ein Wildschwein verwandelt, und brauchte unbedingt Gregor den Erleuchter, um wieder ein Mensch zu werden.“

„Also hat er ihn rausgelassen?“, fragte Eva und verspürte einen Anflug von etwas, das sie vergessen hatte. Amüsement. „Sie haben eine ziemlich eigenwillige Art, Geschichten zu erzählen. Man muss Ihnen alles aus der Nase ziehen.“

„Das sagt Chaja auch.“

„Haben Sie Chaja das von Ihrem erleuchteten Gregor erzählt?“

„Ja.“

„Ist es eine türkische Legende?“

„Nein.“

„Zum Teufel, jetzt reicht’s mir“, schnauzte sie ihn an. „Ja, nein, ja, nein – sprechen Sie irgendwann auch mal in ganzen Sätzen?“

Er erschrak und zog den Kopf ein. Eva glaubte, die Bewegung zwischen den eigenen Schultern zu spüren.

„Du lieber Himmel“, sagte sie, hob die Hand und wollte seine Wange berühren, aber er wich zurück. „Ich hab’s nicht böse gemeint. Ich rede immer so mit Leuten, ich meine, ich habe früher so mit Leuten geredet …“

„Sie sind ja auch aus Berlin“, sagte er.

Eva musste lächeln. „Geboren bin ich in Frankfurt. Aber Berlin, fand ich, war meine Stadt.“

„Das finde ich auch.“

„Danke“, sagte Eva. „Dort, wo ich gewohnt habe, in der Bleibtreustraße, haben wir ziemlich lange geglaubt, wir würden uns unser Berlin nicht wegnehmen lassen, und diese komischen Schweinchen in ihren braunen Hemden bräuchten unbedingt uns, um sich wieder in Menschen zu verwandeln. Vor allem habe ich gedacht, ich könnte Martin wieder in einen Menschen verwandeln. Er war ein so schöner Mensch, aber ich war keine Heilige. Warum haben Sie Chaja die Geschichte von Ihrem Erleuchter erzählt?“

„Ich weiß nicht.“

„Ich raunze Sie nicht wieder an“, sagte Eva. „Ich habe gesehen, dass Sie das ganz und gar nicht mögen. Aber dafür geben Sie sich jetzt Mühe und sagen ein bisschen mehr als ja, nein, weiß nicht, einverstanden? Na los. Warum haben Sie’s Chaja erzählt?“

„Ich weiß wirklich nicht“, sagte er. „Vielleicht weil ich das dachte, was Sie gesagt haben: dass ich mir Khor Virap nicht wegnehmen lasse. Chaja gefallen meine komischen Geschichten. Sie denkt sich immer aus, wie sie weitergehen könnten.“

„Wo ist das denn, Khor Virap?“, fragte Eva.

„Am Berg Ararat.“

Eva erschrak. Wann hatte sie das Wort zuletzt gehört? In Martins Villa, damals im Herbst 1937, als er ihr erzählt hatte, dass ihre Steinriesen und ihr Film vernichtet worden waren, weil Hitler nicht wollte, dass jemand nach dem Volk vom Berg Ararat fragte.

Sie sah ihn an. Eines seiner Lider hing tiefer als das andere, und unter dem Auge grub sich eine Narbe ins Fleisch. „Sie sind kein Türke.“

„Was sind Sie?“, fragte er. „Deutsche?“

Eva überlegte.

„Vielleicht dachte ich, ich sei Türke“, sagte er. „Als Kind hatte ich einen von Jungtürken ausgestellten Inlandspass, aber dann durfte ich ihn nicht mehr haben. Ich war nicht türkisch genug für meinen türkischen Pass.“

„So wie ich?“

„Ich glaub‘.“

Dann sagten sie nichts mehr. Sie waren völlig erschöpft, und Eva konnte nicht fassen, dass sie in einer einzigen Nacht das alles gesagt hatte.

„Schlafen?“, frage er leise.

Eva nickte.

„Sie behalten den Verschlag für sich. Ich lege mich ins Heu.“

„Das brauchen Sie nicht.“

„Ich finde es ganz schön.“

Sie hätte es schön gefunden, ihn im Schlafen bei sich zu haben. Nichts an ihm war ihr zuwider, nichts versetzte ihren Körper in Angst. Sie hatte noch nie an einem Mann so dichtes Haar gesehen und hätte gern gewusst, wie es sich anfühlte.

„Gute Nacht“, sagte er.

Eva lächelte. „Gute Nacht, Gregor der Erleuchter. Ich glaube, Sie haben mich in diesen letzten Stunden wieder in einen Menschen verwandelt.“

„Sie waren ja kein Wildschwein.“

„Ein Wurm“, sagte Eva. „Eine Kakerlake. Irgendein Ungeziefer, das kein Mensch mit der Hand anfasst, wenn er nicht muss.“

Er presste die Lippen aufeinander, schüttelte den Kopf und ging.

Ararat – “Und sie werden nicht vergessen sein” Knaur Taschenbuch, 25. Februar 2016

Kohrvirab

(Photo by Andrew Behesnilian)

 

Casta Diva. Für Ursula Poznanski

Liebe Ursula.

Heute Abend habe ich ziemlich fest an Dich gedacht.

Ich hatte das Glück, noch einmal ein Kind – mein jüngstes – in seine erste “Norma” zu begleiten. Wir sassen und warteten, und dann trat die Abendspielleiterin vor den Vorhang: Die Sopranistin, die wir hatten hören wollen, sei erkrankt, und stattdessen bitte sie um Wohlwollen für eine junge Kollegin, die ihr Rollendebüt gebe – ihre erste Norma.

Ich war enttäuscht.

Aber nicht lange.

Dann nämlich kam, auf was jeder Opernliebhaber, der in “Norma” geht, mit zitternden Knien wartet. Casta Diva. Vielleicht die schönste Sopranarie der Welt.

Nur noch eine  Sekunde lang bedauerte ich das Fehlen eines routinierten Stars. Dann wurde mir klar, was ich in meinem Leben für ein gottverdammtes Glück habe: Ich würde dabei sein, wenn jemand zum ersten Mal Casta Diva hörte. Ich würde dabei sein, wenn jemand zum erste Mal Casta Diva sang. Ich habe geweint. Mein Kind hat geweint. Und dann habe ich an Dich gedacht. An das, was Du mir vor etlichen Jahren – im später verpönten “Oberstübchen” von Montsegur – gesagt hast, als ich wieder einmal daran verzweifelte, dass ich das Buch, das ich mein Leben lang hatte schreiben wollen,  nicht schreiben konnte. Was immer ich auch tat, ich war nicht fähig. Mein Buch würde nie geschrieben sein.

“Ich weiss, was du meinst”, hast Du gesagt. “Ich habe das lernen müssen, sonst hätte ich nichts anderes machen können: Was immer ich auch tue, ich werde nie Casta Diva singen.”

Wenig später bist Du – so sehr zu Recht – mit “Erebos” durch sämtliche Decken gebrochen, und ich habe mich weiter gestrampelt und habe das lernen müssen wie Du: Ich werde nie Casta Diva singen.

Du weisst nicht, wie oft ich in diesen Jahren daran gedacht habe. Wie oft mir das geholfen hat: Stillzusitzen und zu begreifen, dass das atemberaubend schön ist – auch wenn es wehtut: stillzusitzen, eine junge Frau zu hören, die zum ersten Mal Casta Diva singt und an Ursula zu denken, die es nie singen wird und uns stattdessen “Erebos”, “Saeculum”, “Fünf” und “Layers” geschenkt hat.

Wir haben geweint. Nach dem Vorhang auch die junge Sopranistin unter Standing Ovations. Dann sind wir nach Hause gelaufen und die Welt war still und ganz und gar recht und schön.

Morgen – oder der Tage – kommt mein Buch.

Ich werde nie Casta Diva singen.

Danke, Ursula.

AraratNorma