Susanne, Tanja und Doris

Ich verlose ja nie was. Meine Belege, die nicht an Experten und Testleser gehen, sollen alle ‪#‎WritersforMesopotamia‬ sowie ‪#‎Autorenhelfen‬ zur Verfügung stehen, aber Ostern ist mein liebstes Fest im Jahr, und ausserdem haben mir in diesen letzten zwei Wochen so viele Menschen so viel Freude gemacht, dass ich auch mal jemandem eine machen möchte.
Aber nicht irgendwem …
Corinna und ich haben bei Bestandssicht nämlich festgestellt, dass wir noch zwei Exemplare der sonst völlig abgeräumten Hatti – “Die Stadt der schweigenden Berge” – haben, und zwar zwei, die ich Intelligenzbolzen fehlgewidmet habe: eine für SUSANNE und eine für TANJA.
Sollte es hier also eine Susanne und/oder Tanja geben (oder Leute, die eine Susanne und/oder Tanja kennen), die gern eine hätte – bitte melden, und ihr bekommt sie mit SEHR persönlicher Widmung.
Ausserdem habe ich mich in Dortmund so sehr gefreut, einen Ararat “Für WILMA” widmen zu dürfen – aber ich durfte noch in keinen einzigen “Für DORIS” schreiben. Gibt’s hier eine Doris, die gern einen hätte? Dann bitte auch melden, und er kommt.
Sollten sich mehr Susannen, Tanjas und Dorisse melden, lost mein Sohn aus dem ARP-Helm. Sollten sich keine melden, überleg’ ich mir mal, wie man Susanne, Tanja und Doris umwidmen kann …
Und unter allen Gewinnern verteile ich dann noch die Handvoll Souvenirs, die von der Lesereise übrig geblieben sind. Unter anderem ein HENRY-Lesezeichen. Warum das keiner wollte, dürft ihr mich nicht fragen …

Ich freu mich!
Susanne, Tanja und Doris, ach nee,
Charlie, Hatti und Ararat

Osterhase

Advertisement

One and only

Die Werbung macht heute Pause.

Stattdessen erlaube ich mir, diesen Hinweis einzuwerfen, da mich gestern schon jemand gefragt hat, warum ich die gesamte Existenz meines Romans Ararat – “Und sie werden nicht vergessen sein” – minutiös dokumentiere, dabei aber tunlichst verschweige, dass er einen Vorgänger hat.

Das tut mir leid.

Es sieht aus, als wäre der Vorgänger mir peinlich, und das ist er nicht. Ganz und gar nicht. Er ist eine Sie, heisst Hatti – “Die Stadt der schweigenden Berge” – und war mir unter meinen Büchern das liebste, bis Ararat kam. Hätt’ ich die Hatti nicht gehabt, hätte ich auch keinen Ararat.

Trotzdem ist das eben passiert. Der kleine ist über die grosse hinausgewachsen. Nicht nur, was die Länge angeht (Ararat hat knapp 200 Seiten mehr). Bei der Hatti habe ich irgendwann – erstaunlich spät! – bemerkt, dass ich jetzt mein Thema am Wickel hatte (wie man einen Roman planen kann, ohne das zu merken, ist ein spannendes Thema, das ich hier gern einmal diskutieren möchte). Bei Ararat wusste ich von Anfang an: Das ist meins. No or never.

Im Ergebnis ist Ararat ein sehr anderes Buch geworden – und jetzt habe ich Angst, dass die beiden sich gegenseitig nicht Dampf machen, sondern sich die Leser verschrecken. Dass mir noch nie ein Buch so wichtig war, geht aus diesem Blog wohl mehr als deutlich hervor (dumdidum). Deshalb wünsche ich ihm jeden einzelnen Leser, jede einzelne Rezension, die wir bekommen können, buhle um jeden von euch, säusele, zirze

und versichere in diesem Sinne: Ararat ist ein Einzelroman, auch wenn es ein Buch gibt, das von Ereignissen im Leben von zwei seiner Figuren erzählt. Er kann völlig unabhängig gelesen werden – und spricht hoffentlich besonders die Leser meiner Charlotte-Roth-Romane an.

Über Blogger, die bereit wären, ihn zu rezensieren, freuen wir uns weiterhin und bitten um Nachricht (charlie@charlotte-lyne.com), damit ich mich um ein Rezensionsexemplar bemühen kann.

Einen schönen Tag wünschen Charlie, Ararat und Hatti – Geschwister, keine Zwillinge

Araratundhatti

Und hätten der Liebe nicht …

Tatsächlich ist heute wieder Welttag des Kusses.

Im letzten Jahr habe ich dazu eine Szene aus meiner Hatti gepostet, die erste von mir geschriebene Kussszene, die mir gefiel. Mein erstes von mir selbst geliebtes Liebespaar. Darüber war ich so glücklich, ich hätt‘ sie küssen wollen. Jetzt ist ein Jahr später, mein Liebespaar hat 770 Seiten und etliche Küsse (und nicht nur die) mehr und ich lieb sie immer noch. Meinen Eros-und-Thanatos-Roman, den ich so viele Jahre lang wollte, kann ich jetzt zum Küssen mit unter die Rosen in meinem Garten nehmen. Ich fand schon immer: Es muss von sehr viel Liebe erzählt werden, um das Erzählen von so viel Tod auszuhalten, und Erzählen vom Tod hat ohne Erzählen von der Liebe keine Fallhöhe. So könnt‘ ich dich im Untertitel nennen, my darling Ararat: „Die Weise von Liebe und Tod der Hausfrau Doris Taylor“.

Schenkt ihr mir wie im letzten Jahr zum Welttag des Kusses eure schönsten Liebesszenen, egal ob geküsst oder sonstwie geliebt wird, egal ob hier oder auf Facebook?

Ich würde mich riesig freuen.

Einen Tag zum Küssen wünschen euch Charlie, Hatti und Ararat.

Roseunclewalter

Abgesang

Jetzt ist er weg.

Ausgezogen aus meinem Haus, in das er sich freundlicherweise hat mitschleifen lassen, damit’s mir nach dem Umzug nicht so elend geht. Er war überhaupt immer freundlich. Das ist seine Natur. Still, sehr ordentlich, vollkommen pflegeleicht. Er war mit Langmut gesegnet und hatte ein Herz für alte Tanten – ganz im Gegensatz zu seiner Frau, der das auf die Nerven ging, dass ich immer und überall dabei sein, grinsen und meine Fotos schießen wollte. Mehr als einmal habe ich ihn den Arm um sie legen sehen und gehört, wie er ihr zuflüsterte: „Jetzt lass sie doch. Sie meint es doch nett.“

Ich hab’s nett gemeint. Das hat er mir immer geglaubt, auch wenn dies und das peinlich danebenging. Er konnte nicht lachen. Aber zum Ausgleich hatte er Humor.

Jetzt ist er weg.

Ausgezogen aus meinem Haus, und seine Gang, die ich dringend noch benötigt hätte, hat er mitgenommen. Ich hab ihn verraten, und das fand er nicht nett gemeint. Er hat immer alles allein gemacht, er hat mich nicht gebraucht, nur ich ihn, und das eine Mal, wo es umgekehrt gewesen wäre, habe ich ihn im Regen stehen lassen. Meinen Primo uomo. Meine schöne Frostbeule. How could I?

Als er auf mich angewiesen war, weil er sich ja nun einmal nicht in ihm unzugänglichen Dimensionen verteidigen kann, bin ich eingebrochen wie ein Zahnstocher. Und dass ich nicht vorbereitet war, ist die allerschlechteste Entschuldigung.

Auch wenn ich wirklich nicht vorbereitet war. Erwartet hatte ich, dass Leser mir an den Kopf knallen, ich hätte ihn verherrlicht. Dagegen hätte ich uns beide verteidigt. Und gelacht. Ich verherrliche ihn überhaupt nicht, hätte ich gesagt, er ist herrlich, und um mir das zu glauben, bräuchtet ihr ihn nur mal zwei Wochen lang in euer Haus zu nehmen. Könnt ihr aber nicht. Weil ich ihn nicht hergebe. Meiner bleibt hier, macht euch euren eigenen, ich bin sicher, ihr könnt das besser als ich. Ich habe dreißig Jahre dazu gebraucht.

Nein, Schriftsteller sind nicht verrückt und sie denken auch nicht mit den Verdauungsorganen. Schreiben funktioniert nur anders als Versicherungen verkaufen. Wobei ich das nicht wissen kann. Ich kenne keinen, der Versicherungen verkauft. Wenn ich einen kennen und wenn der mir erklären würde, wie das funktioniert, würde ich womöglich behaupten, er und seinesgleichen seien verrückt.

Wie Schreiben funktioniert, ist nicht ganz leicht zwischen Tür und Angel zu erklären, aber eins habe nach dreißig Jahren sogar ich gelernt: Schreiben funktioniert tausendmal besser mit einem Primo uomo, der sich bereit erklärt, für die Dauer der Romanentstehung ins Haus des Schriftstellers einzuziehen, das gesamte Ensemble im Gänsemarsch hineinzudirigieren und es obendrein anzuhalten, nicht allzu viel Lärm zu machen, benutzte Teller in den Abwasch zu stellen und sich vor der Tür die Schuhe abzutreten. Es funktioniert wie von selbst. Ohne Mitarbeit des Magen-Darmtrakts, und ohne dass es aus dem Herzen tropft. Beim Schriftsteller mag man verrückt dazu sagen. Beim Versicherungsvertreter hieße derselbe Vorgang effizient.

Das hat er mir auch beigebracht, nach dreißig oder eher vierzig Jahren Schreiben: “Schriftsteller” zu tippen und mich zu meinen. Im letzten Abschnitt hatte ich schon wieder Schreibsler getippt und danach Romanproduzent. Habe ich mir verboten. Ich wollt‘ ihn nicht noch einmal verraten. Dich hab ich mit meinem blöden Gestammel vertrieben, mein Schöner, aber deine Geschenke behalt ich. Solange ich kann.

Der Kunde ist König. Aber weißt du, was ich hätte machen sollen, mein verlorener Lieblingsuntermieter? Dich einmal nehmen, obwohl du dich so ungern anfassen lässt, ans Fenster zerren und in die Gegend schreien: Hat sich was. Der Primo uomo dieses Haushalts und sein Schriftsteller rufen jetzt endlich mal die Republik aus.

Er hört mich nicht mehr. Er ist weg, und ich muss unsere Geschichte allein zu Ende schreiben. Ohne mich am Schlüsselloch zu ergötzen, wenn er sich die Zähne putzt, ohne verzückt über die Faltkanten seiner Zeitung zu seufzen und ohne Fotos zu schießen, während er im Garten Croquet spielt. Das wird schon gehen. Er war ja lange genug hier, und er ist unvergesslich. Es wird nur nicht mehr so zauberhaft sein, sich nicht mehr wie Flirten anfühlen. Mehr wie Arbeiten, fürcht‘ ich. Aber wenn ich nicht weiß, wie’s weitergeht, kann ich ja meinen Versicherungsvertreter fragen.

Mein Primo uomo ist weg.

Er hat mir nicht einmal Auf Wiedersehen gesagt.

Das hätte ich an seiner Stelle auch nicht getan.

.Scratch in time

Willkommen

Evapaintingvalid

Meine Figur Eva möchte ein Bildwerk schaffen, das klüger ist als sie.

Ich musste das Schreiben unterbrechen, weil mich das so begeistert hat – die Erkenntnis, dass es das ist, was ich von all meinen Büchern erwartet und nicht bekommen habe: Sie sind nicht klüger als ich, sie können mich mit dem, was sie wissen, nicht verblüffen und haben mir nichts beizubringen, denn ich habe ihnen alles beigebracht. Deshalb lese ich meine eigenen Bücher nicht. Die kenne ich ja schon. Ich denke beim Lesen keiner Zeile: „Ach ja?“

Jetzt zieh ich nachts im Halbschlaf mit einem Buch von mir durchs Haus und denke: „Komisch, was der da schreibt, muss ich mal weiterlesen. Und den Namen von der Figur – hab ich den nicht auch schon mal benutzt?“

Klüger als ich, subtiler, zärtlicher, und viel sardonischer – sie ist da!

Willkommen, Hatti, willkommen, meine Fremde.

Sevgilimhatti

Fortsetzung folgt?

War ich der, der nie Fortsetzungen schreiben wollte?

Der, der Fortsetzungen als Wurmfortsätze unrunder Geschichten bezeichnet hat, war nicht ich, oder etwa doch?

Meine Fortsetzung „Ararat“ ist kein Wurmfortsatz, sondern eine Wiedersehensparty. Eine Begrüßungsorgie am Bahngleis, das Zugticket, das man sich auf Pump kauft, weil die Sehnsucht es länger nicht aushält. Meine Fortsetzung „Ararat“ ist das kolossale Staunen: Nicht zu fassen, was aus euch geworden ist!

Nur den, der das lesen soll, wollen wir natürlich nicht draußen stehen lassen, während wir hier drinnen übereinander herfallen und uns in Entzückensrufen („Hach, bist du aber groß geworden“) ergehen. Weshalb es leider allmählich nötig wird, über die leidige Frage: Kratzt das einen?, nachzudenken.

Ich hab mein Liebespaar verlassen, als sie auf halb gepackten Koffern auf dem Sprung saßen, echauffiert, blitzäugig, tapfer ein bisschen Angst verbeißend und sich fest an den Händen haltend. Junge Leute halt – wir zwei gegen Himmel und Hölle und bis ans Ende der Welt. Beide hübsch, beide von der Art, auf deren Wangen alte Tanten Lippenstiftflecken hinterlassen. Meine Augensterne, my two and only.

Jetzt sind sie seit sechs Jahren angekommen, verheiratet, schon in dem Alter, in dem Ehemänner Hüftspeck ansetzen, aber sie kann nicht kochen, er hat Anorexie, und außerdem altern sie beide wie Wein. Sie haben sich ein Haus gebaut, und nun kommt die alte Tante (ich) zum ersten Mal zu Besuch. Die will natürlich vom Keller bis zum Boden geführt werden, in jeden Schrank spähen, unter jedes Bett linsen, sehen, in welchen Ständer er seine nach dem Lesen gefaltete Zeitung steckt und ihr zuschauen, wenn sie die nächste Rolle Klopapier aufhängt.

Die alte Tante arbeitet nicht mehr und wird demnächst samt ihrer Familie Konkurs anmelden müssen. Die alte Tante dreht Kopfkissen um und befühlt Tagesdecken, flötet: „Ich komm‘ mit euch zur Kirche, Kinder“ und drängt sich hinterher noch zum Einkaufen auf, prüft den Kaffeevorrat und will unbedingt die Nachbarn und den Hausarzt kennenlernen. Die alte Tante ist selig. Mit sich und der Welt im Reinen, zum ersten Mal, seit die hier hockt und schreibt.

Schreibt?

Nee, oder?

Womit sich die Lieblingsverwandten Nase und Hintern pudern, schreibt man doch nicht in einen Roman, den man anderen Leuten als höchst mitreißend verkaufen will. Ich fürchte, ich werde der alten Tante mal erklären müssen, dass das außer ihr selbst kein Schweinlein schert, ob ihr glutäugiger Liebling sich die Zähne mit Meersalz putzt und seine zauberhafte Gemahlin ihr Stullenpaket im Museum liegen lässt. Das ist jetzt nicht echt, oder? Trautes Heim, Glück allein, und das Honigkuchenpferd, das vor Stolz darauf platzt, bin – ICH?

Ich bin doch der mit den ganz düsteren, auf Sturm gebürsteten Geschichten voller angebrüteter Leute, die sich nie so verhalten wie der Hund von Onkel Rudis Schwiegermutter. Und jetzt will ich unbedingt aller Welt erzählen, wie zwei sich Opernkarten für Covent Garden bestellen – und die Oper fliegt dann nicht mal in die Luft? Was kommt als nächstes? Alte, ich fürchte, bevor die sich auch noch einen Dackel kaufen oder ihre Steuererklärung ausfüllen, während du tränenblind jauchzend daneben sitzt, müssen all diese hübschen marital-bliss-Szenen RAUS.

Darin war ich immer gut. Ein Klick und ab ins Nirwana.

ABER JETZT?

Ich kann doch nicht meine süße Gewitterhexe, die gegen einen Fleischwolf kämpft, in den Daten-Mülleimer schmeißen und die Kragennadelsammlung ihres Liebsten hinterdrein?

Das geht absolut nicht. Man klaut schließlich seiner alten Tante auch nicht ihr mit Blümchen beklebtes Fotoalbum! Ein bisschen zittrig nehm‘ ich den Finger vom Löschknopf und begreife nach über dreißig Jahren Leben als Kritzler, warum Kollegen eine Datei für Outtakes haben.

Die hab ich dann jetzt wohl auch. Und wie nenn‘ ich die? „Ararat Outtakes“? „Ein Sonntag bei Familie A. Januar 1938/Dezember 2014“? Oder „Wurmfortsatz III Material“?

NEIN.

Kommt nicht in Frage. Hatti und Ararat sind mein Geschenk an mich selbst für sämtliche verbleibenden Weihnachten meines Lebens. Die zwei sind das pure Glück, bringen uns empfindlich nah an den Rand des Ruins, und irgendwann ist Schluss. Dann muss man den Hals auch mal vollbekommen und wieder arbeiten, statt Verwandte zu besuchen.

Ich hab einen Mechanismus eingebaut, der garantiert, dass danach keine Hintertür mehr aufgeht, dass alle guten Dinge zwei bleiben, nicht drei werden (ich versprech euch beiden auch, ich werd euch nie „Dilogie“ nennen, sondern für alle Zeiten Hatti und Ararat). Ich druck mir dann halt meine Outtakes aus und kleb Blümchen zwischen die Seiten. So wie alle guten Tanten, die im Grunde ja wissen, dass hinreißende Liebespaare drei Kreuze machen, wenn die Alte wieder in den Zug steigt – und so schnell nicht wieder kommt.

Solomon’s Song

Es ist schön (sehr schön) ((sehr sehr sehr sehr sehr schön)), meinem Roman Ararat irgendetwas zu schreiben. Aber am schönsten, das gebe ich frei von Schamröte zu, ist es, ihm von der Liebe zu schreiben.

Ich hab so etwas in der Vergangenheit nicht gern gemacht, obwohl ich immer davon schreiben will – von der Liebe, vom Krieg und vom Tod. Die Liebe schrieb sich so schwer. Was ich vom Krieg und vom Tod schrieb, hatte manchmal Ähnlichkeit mit dem, was ich im Kopf hatte. Was ich zur Liebe im Kopf hatte, kribbelte mir zwischen den Schenkeln, ich wollte beim Liebe-im-Kopf-haben immer nie meiner ordentlichen Schwägerin Theresa begegnen, aber auf dem Papier landeten zwei Trau-mich-nichts, die mit klobigen Schritten aufeinander zu strauchelten und wie Roboter nach Körperteilen langten, bei denen ich mich fragte, wo ein Mensch die eigentlich haben soll. Beim Im-Kopf-haben war mir lustig, beim Aus-dem-Kopf-herauszupfen lüstern und beim Aufschreiben verging mir die Lust.

Dabei lese ich das so gern. Bei D.H. Lawrence kann ich mir keine halbe Seite darüber geben, wie ein schöner Mann sich Butter auf ein Brot streicht, um’s mit in ein Bergwerk zu nehmen, ohne auf dem Stuhlkissen zu zerfließen. Dabei wird mir schummrig. Bei mir selbst wird mir schläfrig. Und das hat mich immer traurig gemacht, weil in meinem Kopf nichts vom Schlafen war.

Dann hab ich die Hatti geschrieben und alles war anders.

Und bleibt es.

Jetzt hab ich zwei, die schon zu tänzeln beginnen, wenn sie sich an entgegengesetzten Enden des Raumes gegenüberstehen. Lange ehe sie die Buttermesser zücken. Zwei, die kaum die Köpfe zu heben wagen, weil dann alles zu spät ist. So sehr zu spät, dass die blindlings in meine ordentliche Schwägerin Theresa hineinlaufen würden, weil sie nur Augen, Nasen, Hände, Füße (!) für einander haben. Zwei, die B sagen, lange ehe sie an A auch nur denken. Sie ist schön, und er ist der Schönste, aber wenn sie von ihren Butterstullen auf und einander in die schönen Augen sehen, werden sie so schön, dass es verboten werden müsste. Und in der Mitte ihrer Blickstrecke, da wo’s zusammenprallt, schmilzt ihr Autor. Ich.

Etwas in mir fand schon vor 36 Jahren über Salomons Hohelied, dass Nässe und Duft von Sex etwas vollkommen Heiliges haben. Du bist schön, mein Freund, schön bist du, unser Lager ist grün. Meine zwei, die selbst frisch gewaschen vor Sex stinken, sind mir so heilig wie die schönste Sünde.

Aus meinem Kopf, durch meinen Stift, auf mein Papier und zwischen meinen Lenden bricht ein kleiner Vulkan aus, ehe ich Zeit hab, mich um meine Schwägerin Theresa zu scheren. (Bin ja auch umgezogen … die wohnt nicht mehr um die Ecke)

Jetzt hab ich zwei. Jetzt hab ich so sehr zwei.

Die brauch ich nicht zu schreiben. Die schreiben sich nicht mal selbst für mich, denn um mich scheren die sich so wenig wie um meine Schwägerin Theresa. Die haben nur Augen und Hände, nur Nasen und Füße, nur sich schlingende Schenkel und lechzende Münder für einander. Die machen Liebe auf dem Papier, noch wenn sie ihre Hypothek begleichen, die Trümmer ihrer Parties begutachten und die Bretter mit ihren Butterstullen (er verträgt keine Butter, sie, wenn sie ihn lange ansieht, auch nicht mehr) sehr langsam, sehr lüstern beiseiteschieben.

Ich geh jetzt wieder. Mir nimmt das den Atem und jeden lästigen Rest von Anstand. Die haben Namen wie zwei Zirkusclowns, die zwei. Aber gegen das, was die versprühen, ist ein Pulverfass ein Schminkdöschen.

Erzählt ihr mir auch, wie ihr von der Liebe schreibt, wenn eure zwei (oder drei. Oder sechs) euch lassen?

Wir würden uns freuen. Charlie (gespannt) & Ararat (anderweitig beschäftigt)

Here to stay

Kennt mich noch einer?
Ich bin ganz kleinlaut. Aber diesmal bin ich wirklich hier, um zu bleiben. Und um zu tun, wofür ich den Blog einmal angeschafft habe: Meinem Roman beim Wachsen zuzuschauen und vor mich hin zu erzählen, was uns dabei so an den Hirnen vorbeischwimmt, meinem Roman und mir.
Inzwischen ist uns ziemlich viel passiert.
Wir haben unser Leben in hundertdreißig Kisten verpackt und unser Haus verlassen. „Andere Leute machen das auch“, hatte mein Mann beteuert. Dass wir es machen könnten, einfach in ein neues Haus spazieren und behaupten, das sei jetzt unseres, erschien mir trotzdem völlig unmöglich. Das Haus waren wir. Gemacht haben wir es aber doch. Die Kisten sind leer, die Bücher stehen alle wieder an Wänden, und wir leben immer noch. Und finden uns sogar allmählich wieder.
Die permanente finanzielle Katastrophe verbunden mit der Besessenheit, mir trotzdem einen Roman zu leisten, von dem ich fand, ich müsse ihn schreiben, haben mich – in etlichen Nachtschichten – erstmals gelehrt, wo meine gesundheitlichen Grenzen sind. Daran laboriere ich jetzt mit noch offenem Ausgang. Mich weiter durch Nächte schleppend und um unsere Existenz kämpfend. Aber zuweilen, nie frei von Argwohn, auf einen Lichtblick hoffend. Eine Atempause. Ein Stück Stille mit meinem Roman.
In dem Land, in dem ich in diesem Winter staunen, mich berauschen und arbeiten wollte, ist Krieg. Wann der aufhört, ist fraglich. Und was dann von dem Land noch übrig ist, erst recht. Ich kann mich nicht erinnern, wann mich zuletzt etwas so traurig gemacht hat, so hilflos, so ohne Begreifen. Etwas tun würd‘ ich gern. Wenn das möglich wird, schreib ich’s hier auf. Bis dahin kann ich an das Land zwischen den zwei Flüssen nur denken. Das nützt dem Land nichts. Aber ich tu’s trotzdem.
Tja.
Und dann hab ich noch den Roman.
Selbst einen geliebten Roman kann man ja nicht ständig nur lieben, sondern muss ihn auch schreiben. Muss stinknormale dramaturgische Entscheidungen treffen, muss stinknormal erleben, wie man stinknormal scheitert, wie die Sprache auf dem kleinen Weg zwischen Stirnoberfläche und Papieroberfläche sich stinknormal das Rückgrat bricht. Dabei hat sich’s bei mir dann in der Vergangenheit immer ausgeliebt und ist stinknormal geworden. Aus dem auf die Füße (ach nee, das ist ja schon wieder Ararat) geküssten Lieblingsprojekt wurde das Zeugl, das ich hier eben schreibsel und das meistens nicht ganz, manchmal noch weniger und allzu oft gar nicht gelingt. Lieben – zwischen schönen Männern, vor Leben berstenden Kindern, Rosetta-Steinen, Ishtar-Toren und ersehnten Ländern im Krieg – konnt‘ ich Romane von anderen. Aber nicht meine.
Als ich angefangen habe, meinen Berg-Roman aus meinen Armen und durch meine Bleistiftspitze auf mein Papier zu lassen, war mir klar, dass mir das wieder passieren könnte. Ich habe damit gerechnet. Und versucht, mir einzureden, dass das keine Tragödie ist. Ob’s eine gewesen wäre, kann ich jetzt gar nicht mehr feststellen, denn es ist nicht passiert. Ich lieb ihn immer noch. Ich mache stinknormal Müll mit ihm, aber ich fühl mich nicht stinknormal, sondern immer noch glücklich. Und manchmal frag ich mich, ob ich auf meine alten Tage wohl noch lerne, was Treue ist.
Und was mach ich dann?
Zehn Bände schreiben?
Nein, denn das wäre nicht treu, sondern besitzergreifend (ich wette, ich hab irgendwann mal behauptet, das sei dasselbe …). Wenn er mit mir fertig ist, darf er gehen. Das tut er nämlich sowieso. Zum biederen Ehemann taugt er nicht, sondern ist ein Flirt. Zärtlich und zerstreut. Flatternde Wimpern, flatterndes Herz. Mach dir keine Sorgen, Schöner. Lauf weiter. Wenn du gehst, dann wink ich dir, auch wenn ich weiß, dass du im Grunde schon weg bist und den Kopf nicht drehst.
Ach ja. Verkauft hab ich ihn in der Zwischenzeit. Ob das gut geht, werden wir mal sehen, aber es schien mir für ihn die richtige Entscheidung. Ich möcht‘ ihn in Papier. Ich möcht‘ ihn in den Händen der grandiosen Lektorin, die ich mir nicht hätte leisten können. Ich möcht ihn so schön präsentiert wie seine Schwester, die hier schon fast an der Tür steht. Ich möchte mehr für ihn, als ich ihm hätte geben können. Dass ich ihm auch etwas hätte geben können, was ihm sonst keiner gibt, steht seltsamerweise außer Frage. Aber „ein bisschen Schwund ist immer“. Und vor allem wollte ich das für ihn: einen gesicherten Weg. Eine Tür zur Welt.
Books

Back home

Wenlock

Da ich im Moment nach einem Facebook-Rausch einen Facebook-Kater habe, krauche ich reumütig in meine Höhle zurück und hoffe, hier will mich noch einer. Ein bisschen zeige ich mir selbst die kalte Schulter und ätze „hab ich dir doch gleich gesagt“, aber damit kann ich leben. Ich kenn mich ja. So heiß, wie ich koche, ess ich gar nichts. Ganz richtig zum Freuen ist mir nicht, dazu ist zu sehr Zweitausendundvierzehn und ich bin zu erschöpft. Außerdem mache ich gerade höchst eigenartige Erfahrungen, für die ich Kollegen – ich geb’s wenigstens freiwillig zu – mal unter gefurchten Brauen beäugt habe. Sodass mich die Tatsache, dass ich derzeit nicht so richtig weiß, was ich für die zwei Geschichten, die sich mir ins Herz gefressen haben (ja, ja, ich weiß …), noch tun kann, gelinde in Richtung Wahnsinn treibt. Mir fehlt mein Berg. Dass ich nicht weiß, wie er im Sommer aussieht, ist so falsch.

Aber unerwähnt bleiben soll das hier auf gar keinen Fall, denn es reißt uns an den Schultern hoch und wirft uns wieder in die Laufbahn, und es ist Menschen zu verdanken, die uns ihre Zeit, ihr Geld, ihre Aufmerksamkeit schenken. DANKE! „Als wir unsterblich waren“ und ich (und Wenlock) stehen auf Platz 22 der Bestsellerliste und weinen darüber auch in dieser Woche. Weil das schön ist, einen Erfolg erleben zu dürfen, ohne ein Sieger sein und wie einer gehen zu müssen. 

Life copies Literature

Image

Life copies Literature

In meinem Hattuša-Roman fürchtet sich eine Figur vor hohen Gebäuden. Sie träumt von einstürzenden Felswänden, rennt schweißnass aus dem Film „Metropolis“ und erträgt ihren Tisch im Lesesaal der Uni nicht mehr, weil die Stapel um sie in die Höhe wachsen.

Mein Mann hat heute früh ein Foto von meinem Schreibtisch gemacht und es mir mit der Nachricht ‚Attention, you turn into your character‘, geschickt.

Seither verspüre ich Anflüge von Platzangst.