Love again

Ist kein Tag der Liebe mehr, in Syrien werden Menschen in Krankenhäusern zerfetzt, aber mir war danach. Trotzdem oder deshalb – weiss nicht.

 

“Zwischen graugrünen Niedersträuchern bogen sie um eine Felsnase, und dann kam die Kirche in Sicht. Das, was von der Kirche übrig war. Das Bild hatte sich ihr aufs Herz gelegt, es war noch dort, und jetzt stand die Erinnerung auf. Damals hatte sie Arman bei sich gehabt. Er hatte nicht herkommen wollen, hatte behauptet, Aghtamar, das Heiligtum Khor Virap, der weiße Berg Masis, die Gräber von Urartu, das alles habe mit ihm nichts zu tun. Als sie ihn aber hier hatte, gaben sein staunender Blick, seine Ehrfurcht, seine Verzauberung ihr Recht. Er hatte ihre Hand in der seinen gestreichelt und mit ihr zusammen die steinernen Reliefs berührt.

Es war so schön, ihn dort zu sehen, wo seine Wurzeln waren, er passte so gut hierher. Die Kirche war zerschlagen worden, aber das löschte nicht aus, dass sie tausend Jahre hier gestanden hatte. Sie hatten sich ins Gras gelegt, zwischen die lila Blüten, hatten einander Aprikosenhälften in den Mund geschoben und nach dem Gipfel des Berges Ausschau gehalten, der in seinen Nebeln verschwand.

„Es ist nicht zu hart für dich, nicht wahr? Es quält dich nicht?“

„Nein, gar nicht“, sagte er, noch immer staunend. „Ich dachte, es würde mich demütigen. Aber es macht mich stolz.“

„Mich auch.“

„Danke, lajvard. Ich habe jetzt einen Platz, an den ich mir meine Toten denken kann. Auch die, die ich mir nicht vorstellen kann. Danke, dass du es mir geschenkt hast.“

„Kann ich ja nicht. Ist ja deins.“

„Findest du?“ Er war aufgestanden, hatte sie zu sich in die Höhe gezogen und um die eigene Achse gewirbelt. „Alle Männer, die sich verlieben, wären gern Könige, oder?“

„Du bist einer.“

„Dann schenk ich’s alles dir, und du musst immer bei mir bleiben, weil das unfair wäre, einen König zu verlassen, der dir sein ganzes Land geschenkt hat.“

„Was du da machst, nennt man nicht schenken, sondern kaufen, Enkidu.“

„Kann ich dich kaufen, lajvard? Für tausend Jahre? Ich klau mir noch zwei Königreiche und geb sie dir dazu.“

Für tausend Jahre, mein Herz. Vielleicht sind Hitlers tausend Jahre länger als unsere, aber unsere waren so, als hielte das Leben uns im Arm.”

Ararat – “Und sie werden nicht vergessen sein”. Knaur Taschenbuch, 1. März 2016

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Valentinstag – Plaisir d’Amour II

Und dann noch die Werbung zum Valentinstag.

Die Szene dafür lasse ich meine Romanfigur Doris Taylor (https://www.facebook.com/Doris-Taylor-679850792147846/?fref=ts) aussuchen, nicht nur weil sie – zusammen mit ihrem männlichen Gegenpart Bülent – meine Lieblingsfigur (und die Lieblingsfigur der Testleser) ist, sondern auch weil ich, glaube ich, noch nie eine Figur geschrieben habe, die sich aufs Lieben verstand wie Doris und Bülent.

Ich hatte nur zwei Bedingungen: Die Szene sollte von der Liebe handeln und sie sollte in Paris – der Stadt der Liebe – spielen. Doris fiel das leicht: Paris ist ihre Lieblingsstadt und “sowas Staubiges, was ohne Liebe ist, das les ich eh nicht.”

Wenn ihr Ararat und mir ein bisschen Schwung gebt, eure eigenen Liebesszenen dazustellt, uns teilt und eine Liebeskette quer durchs Netz daraus macht, freuen wir uns sehr! Und verabschieden uns in den Valentinstag. Love, Charlie, Doris und Ararat.

„Sei mir nicht böse“, sagte Arman. „Ich fand, es ist nicht die richtige Zeit, um so viel Geld in den Abfluss zu schütten.“

Stattdessen lag in der Wanne ein silbernes Etuikleid, wie die Prinzessin in der Frauenzeitschrift es getragen hatte. Es war für Doris‘ Größe angefertigt worden, und sie weigerte sich, etwas anderes zu tragen, während sie durch Paris streiften, durch Museen und Kunstgalerien, durch Restaurants und Bistros, durch das Kaufhaus Lafayette, wo sie für Jordan einen Koffer voll Garderobe aussuchten, durch Theater, über Märkte und durch den kürzlich eröffneten Zoo. Auf dem Quai de la Tournelle, wo man den unglaublichen Sternenhimmel über den Türmen von Notre Dame bewundern konnte, küsste sie Amarna auf den Mund. Ihr Abendessen hatte aus fünf Gängen bestanden, und Doris‘ Kuss schmeckte nach Käse und Zwiebeln.

„Gib das Black Beauty von mir, ja?“

„Kannst du ihm selbst geben.“

Doris schüttelte den Kopf. „Den hab ich so lieb wie meinen Bruder, der bekäme überallhin einen Kuss von mir. Aber der Mund ist für die Liebste, und Schluss.“

Die Seine glänzte wie Öl und zog viel langsamer vorbei als die Themse, so als führe ein Fluss in Paris kein hektisches Leben. „Ich wusste gar nicht, dass du einen Bruder hast, Dee.“

„Edward hieß er“, sagte Doris. „Mein Zwilling, aber das hat man gar nicht gesehen. Teddy war so ein schlanker, fescher Kerl wie dein Süßer, dem hat auch die Uniformhose auf den Hüften gesessen, dass unsereinem der Mund wässrig wird.“

„Dein Bruder war Soldat?“

Doris nickte. „Im letzten Kriegsjahr haben die den noch geholt.“

„Und er ist nicht wiedergekommen?“

Sie beugten sich über das Geländer und sahen den spiegelnden Lichtern auf dem Fluss zu. „Ich hab mir immer gesagt, wenn ich mal einen Jungen hab, wird das ein Ted“, sagte Doris. „Aber wie dann ein Mädchen kam, hab ich gedacht: Mein Teddy, der ist übern Jordan, und dabei ist es geblieben.“

Amarna nahm Doris Gesicht in die Hände und küsste sie auf den Mund. „Lieb dich, Dee.“

Ararat – “Und sie werden nicht vergessen sein”. Knaur Taschenbuch, 1. März 2016

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Valentinstag – Plaisir d’amour

Ich finde es schwer, von der Liebe zu schreiben. Ich finde es auch schwer, von der Liebe zu lesen, obwohl ich auf beides scharf bin und all meine Bücher – die, die ich liebe, lese, wie die, die ich zu schreiben versuche – Eros-undThanatos-Bücher sein müssen oder mich merkwürdig kalt lassen. Dass ich das trotzdem so schwer, so mühsam und oft so ärgerlich oder unappetitlich finde, liegt – glaube ich – daran, dass ein Autor, der mir erzählt, wie seine Figur eine Strasse in Istanbul hinuntergeht, mir noch spielend Facetten vorzaubern kann, die mich überraschen, ohne so krampfhaft originell zu wirken, dass sich mein Kiefer mit verkrampft.

Aber ein Autor, der mir erzählt, wie seine eine Figur seine andere liebt?

Von der Liebe Geschriebenes soll nie gehört und doch wiedererkannt sein, zart und wuchtig, leise und unüberhörbar, einzigartig und so, als wäre es dem Autor nebenbei herausgerutscht, knochentrocken und süffig, irdisch und überirdisch, ganz echt und ein bisschen überlebensgross. Kann nicht gehen, oder? Ich gebe zu, für mich ist das die Königsdisziplin – die Steilwand, an der auch Autoren, die sonst in meinen Augen nichts falsch machen können, abrutschen.

Mein Champagner zum Valentinstag geht an all die, die es trotzdem können, die einen Trommelwirbel aus mir machen, wenn ich ihr Schreiben von der Liebe lese.

Schickt ihr mir – über welches Medium auch immer (wir sind ja jetzt verlinkt) – eure Lieblingsszenen von der Liebe? Ich würde mich freuen. Wenn ich genügend zusammenbekomme, sammle ich sie in einem eigenen Post – Liebe in grossen Dosen gegen Kälte in noch größeren.

Ich schenk euch auch eine und zwar meinen Klassiker. Die Wahl ist zwar alles andere als originell, aber ich kann mir nicht helfen. Seit 30 Jahren meine schönste Liebesgeschichte der Welt: Tschingis Aitmatov und “Dschamilja”:

Er gab ihr die zärtlichsten kasachischen und kirgisischen Kosenamen. “Ich liebe dich auch schon lange. In den Schützengräben habe ich von dir geträumt. Ich wusste, dass meine Liebe zur Heimat meine Liebe zu dir war, meine Dshamilja.”

“Dreh dich um, lass mich deine Augen sehen.”

Das Gewitter entlud sich. Ein von der Jurte losgerissenes Stück Schafwollfilz flatterte im Wind wie der Flügel eines verwundeten Vogels. Stürmische Böen trieben den Regen prasselnd auf die Erde. Es sah aus, als küsse er sie. Schräg über uns krachten mächtige Donnerschläge, die am Himmel rollend nachhallten. Bei jedem Aufzucken erglühten die Berge wie ein Tulpenfeld im Frühling. Wütend heulte der Sturm.

Araratsparkling

Und hätten der Liebe nicht, zum zweiten

Ich probier’s starrsinnig weiter:

Eure schönsten Kuss-Szenen wolltet ihr mir gestern gemeinerweise nicht zeigen. (Bis auf Silke – ich bedanke mich!)

Wie stehen meine Chancen mit eurer schönsten Liebeserklärung?

Gebt ihr mir die?

Meine ist, glaube ich, die hier. Die erste, die ich unter meine eigene Haut geschrieben habe, dahin, wo ich einen Schmelzpunkt habe:

“Als er gestorben ist, sahen sie sich sogar ähnlich. Ich habe A. da sitzen sehen, mit B. in den Armen, ich hätte sie beide vor Liebe erdrücken wollen, obwohl B. schon tot war, und ich habe gedacht: Ach, mein Liebster. Irgendwann wirst du genau solch ein vogelknochiger, wattehaariger, zauberhafter Meckerkopf sein wie der da, und das ganze Haus wird kopfstehen, um dir drei Tropfen Joghurt einzutrichtern.”

Bluemoonroses

Und hätten der Liebe nicht …

Tatsächlich ist heute wieder Welttag des Kusses.

Im letzten Jahr habe ich dazu eine Szene aus meiner Hatti gepostet, die erste von mir geschriebene Kussszene, die mir gefiel. Mein erstes von mir selbst geliebtes Liebespaar. Darüber war ich so glücklich, ich hätt‘ sie küssen wollen. Jetzt ist ein Jahr später, mein Liebespaar hat 770 Seiten und etliche Küsse (und nicht nur die) mehr und ich lieb sie immer noch. Meinen Eros-und-Thanatos-Roman, den ich so viele Jahre lang wollte, kann ich jetzt zum Küssen mit unter die Rosen in meinem Garten nehmen. Ich fand schon immer: Es muss von sehr viel Liebe erzählt werden, um das Erzählen von so viel Tod auszuhalten, und Erzählen vom Tod hat ohne Erzählen von der Liebe keine Fallhöhe. So könnt‘ ich dich im Untertitel nennen, my darling Ararat: „Die Weise von Liebe und Tod der Hausfrau Doris Taylor“.

Schenkt ihr mir wie im letzten Jahr zum Welttag des Kusses eure schönsten Liebesszenen, egal ob geküsst oder sonstwie geliebt wird, egal ob hier oder auf Facebook?

Ich würde mich riesig freuen.

Einen Tag zum Küssen wünschen euch Charlie, Hatti und Ararat.

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Und hätten der Liebe nicht …

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Die dunkle Rose der Sorte „Uncle Walter“, das Symbol der sinnlichen Liebe, kommt mit herzlichem Dank an die Leser, die „Als wir unsterblich waren“ so überaus freundlich aufnehmen. Über die Eindrücke und Rezensionen, die inzwischen im Netz auftauchen, freue ich mich bis dorthinaus. Wie schon mehrfach gesagt und noch viel öfter gedacht: Ein Buch geschrieben zu haben, das Leser mögen, ist so überwältigend, dass ich immer wieder stillhalten und diesem Gefühl zuhören muss. Vielen Dank!

Mit einer Spur Bedauern (manche Leute sind halt nie zufrieden …) stelle ich jedoch fest, dass die Liebesgeschichte weniger gut ankommt als der Rest – wie leider bei all meinen Büchern. Über eines schrieb mir sogar einmal Rezensent, der dies als Kompliment meinte: „Das ist eigentlich gar keine Liebesgeschichte.“

Für mich ist das kein Kompliment. Ich möchte über den Tod schreiben, und ich möchte über die Liebe schreiben, das eine ohne das andere funktioniert für mich nicht. Gilgameschs Ringen um Unsterblichkeit ist leer und überheblich, bis er begreift, dass er Enkidu liebt. Wie die Angst vor dem Tod sich anfühlt, weiß sein Körper nicht, bis er den sterbenden Enkidu in den Armen hält und gegen den Himmel anbrüllt, weil er ihn liebt.

Ich möchte keine Liebesgeschichten schreiben, von denen Leser finden, sie seien gar keine. Und wo ich (ach nee, die Carmen) jetzt kurz davor stehe, mein Lieblings-Liebespaar aufzufahren, die beiden schönsten, zärtlichsten, zauberhaftesten, die ich (andC = ach nee die Carmen) zu bieten habe, und in die ich (nndC = nee, nicht die Carmen) selbst so verliebt bin, dass ich (nndC) sie über einen zweiten Roman führen will, wird mir (nndC) ein bisschen bange. Was mach‘ ich denn, wenn die zwei, die mich (nndC) völlig um ihre Finger gewickelt haben und  seit Monaten in den Wahnsinn treiben, es auch nicht schaffen, euch vom Hocker zu reißen?

Für die Hattuša ist der Zug abgefahren, die kommt morgen aus dem Lektorat. Aber für Ararat möchte ich (nndC) gern gierig alles mitnehmen, was ich an Hilfe von Lesern und Kollegen bekommen kann. Deshalb würde ich mich sehr über jeden freuen, der mir erzählt, was für ihn eine Liebesgeschichte ausmacht und warum sie ihn berührt. Von Kollegen wüsste ich gern, was sie ihren Liebesgeschichten geben, damit sie berühren. Und von euch allen wüsste ich gern: Welches sind eure Lieblings-Liebespaare in der Literatur? Meine verrate ich natürlich auch. Neben Gilgamesch und Enkidu sind es Dshamilja und Danijar aus Tschingis Aitmatows „Dshamilja“.

Ich (uadC = und auch die Carmen) sind gespannt!