Love again

Ist kein Tag der Liebe mehr, in Syrien werden Menschen in Krankenhäusern zerfetzt, aber mir war danach. Trotzdem oder deshalb – weiss nicht.

 

“Zwischen graugrünen Niedersträuchern bogen sie um eine Felsnase, und dann kam die Kirche in Sicht. Das, was von der Kirche übrig war. Das Bild hatte sich ihr aufs Herz gelegt, es war noch dort, und jetzt stand die Erinnerung auf. Damals hatte sie Arman bei sich gehabt. Er hatte nicht herkommen wollen, hatte behauptet, Aghtamar, das Heiligtum Khor Virap, der weiße Berg Masis, die Gräber von Urartu, das alles habe mit ihm nichts zu tun. Als sie ihn aber hier hatte, gaben sein staunender Blick, seine Ehrfurcht, seine Verzauberung ihr Recht. Er hatte ihre Hand in der seinen gestreichelt und mit ihr zusammen die steinernen Reliefs berührt.

Es war so schön, ihn dort zu sehen, wo seine Wurzeln waren, er passte so gut hierher. Die Kirche war zerschlagen worden, aber das löschte nicht aus, dass sie tausend Jahre hier gestanden hatte. Sie hatten sich ins Gras gelegt, zwischen die lila Blüten, hatten einander Aprikosenhälften in den Mund geschoben und nach dem Gipfel des Berges Ausschau gehalten, der in seinen Nebeln verschwand.

„Es ist nicht zu hart für dich, nicht wahr? Es quält dich nicht?“

„Nein, gar nicht“, sagte er, noch immer staunend. „Ich dachte, es würde mich demütigen. Aber es macht mich stolz.“

„Mich auch.“

„Danke, lajvard. Ich habe jetzt einen Platz, an den ich mir meine Toten denken kann. Auch die, die ich mir nicht vorstellen kann. Danke, dass du es mir geschenkt hast.“

„Kann ich ja nicht. Ist ja deins.“

„Findest du?“ Er war aufgestanden, hatte sie zu sich in die Höhe gezogen und um die eigene Achse gewirbelt. „Alle Männer, die sich verlieben, wären gern Könige, oder?“

„Du bist einer.“

„Dann schenk ich’s alles dir, und du musst immer bei mir bleiben, weil das unfair wäre, einen König zu verlassen, der dir sein ganzes Land geschenkt hat.“

„Was du da machst, nennt man nicht schenken, sondern kaufen, Enkidu.“

„Kann ich dich kaufen, lajvard? Für tausend Jahre? Ich klau mir noch zwei Königreiche und geb sie dir dazu.“

Für tausend Jahre, mein Herz. Vielleicht sind Hitlers tausend Jahre länger als unsere, aber unsere waren so, als hielte das Leben uns im Arm.”

Ararat – “Und sie werden nicht vergessen sein”. Knaur Taschenbuch, 1. März 2016

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Bild vom Krieg

Für alle, die ihre Welt verlassen mussten, und nicht wissen, ob noch etwas davon übrig ist.

 

“Rotterdam ergab sich nicht. Warschau hatte sich ebenfalls nicht ergeben. In den Zeitungen waren Bilder von beiden Städten, nachdem deutsche Bomber sie zum Aufgeben gezwungen hatten. Warschau und Rotterdam glichen dem Bild in Evas Kopf. Früher hatte sie einmal zu Martin gesagt: „Vielleicht brauche ich Krieg, um weiterzukommen. Um Gesichter zu schaffen wie dein Türke, muss ich vielleicht einen Schmerz darin sehen, den ich mir ohne Krieg nicht vorstellen kann.“

Jetzt dachte sie: Wenn ich ein Bild vom Krieg malen würde, wäre kein Gesicht mehr darin. Nichts Menschliches. Sie hätte eine Leinwand grau anmalen und sie Warschau und Rotterdam nennen können.”

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