Valentinstag – Plaisir d’Amour II

Und dann noch die Werbung zum Valentinstag.

Die Szene dafür lasse ich meine Romanfigur Doris Taylor (https://www.facebook.com/Doris-Taylor-679850792147846/?fref=ts) aussuchen, nicht nur weil sie – zusammen mit ihrem männlichen Gegenpart Bülent – meine Lieblingsfigur (und die Lieblingsfigur der Testleser) ist, sondern auch weil ich, glaube ich, noch nie eine Figur geschrieben habe, die sich aufs Lieben verstand wie Doris und Bülent.

Ich hatte nur zwei Bedingungen: Die Szene sollte von der Liebe handeln und sie sollte in Paris – der Stadt der Liebe – spielen. Doris fiel das leicht: Paris ist ihre Lieblingsstadt und “sowas Staubiges, was ohne Liebe ist, das les ich eh nicht.”

Wenn ihr Ararat und mir ein bisschen Schwung gebt, eure eigenen Liebesszenen dazustellt, uns teilt und eine Liebeskette quer durchs Netz daraus macht, freuen wir uns sehr! Und verabschieden uns in den Valentinstag. Love, Charlie, Doris und Ararat.

„Sei mir nicht böse“, sagte Arman. „Ich fand, es ist nicht die richtige Zeit, um so viel Geld in den Abfluss zu schütten.“

Stattdessen lag in der Wanne ein silbernes Etuikleid, wie die Prinzessin in der Frauenzeitschrift es getragen hatte. Es war für Doris‘ Größe angefertigt worden, und sie weigerte sich, etwas anderes zu tragen, während sie durch Paris streiften, durch Museen und Kunstgalerien, durch Restaurants und Bistros, durch das Kaufhaus Lafayette, wo sie für Jordan einen Koffer voll Garderobe aussuchten, durch Theater, über Märkte und durch den kürzlich eröffneten Zoo. Auf dem Quai de la Tournelle, wo man den unglaublichen Sternenhimmel über den Türmen von Notre Dame bewundern konnte, küsste sie Amarna auf den Mund. Ihr Abendessen hatte aus fünf Gängen bestanden, und Doris‘ Kuss schmeckte nach Käse und Zwiebeln.

„Gib das Black Beauty von mir, ja?“

„Kannst du ihm selbst geben.“

Doris schüttelte den Kopf. „Den hab ich so lieb wie meinen Bruder, der bekäme überallhin einen Kuss von mir. Aber der Mund ist für die Liebste, und Schluss.“

Die Seine glänzte wie Öl und zog viel langsamer vorbei als die Themse, so als führe ein Fluss in Paris kein hektisches Leben. „Ich wusste gar nicht, dass du einen Bruder hast, Dee.“

„Edward hieß er“, sagte Doris. „Mein Zwilling, aber das hat man gar nicht gesehen. Teddy war so ein schlanker, fescher Kerl wie dein Süßer, dem hat auch die Uniformhose auf den Hüften gesessen, dass unsereinem der Mund wässrig wird.“

„Dein Bruder war Soldat?“

Doris nickte. „Im letzten Kriegsjahr haben die den noch geholt.“

„Und er ist nicht wiedergekommen?“

Sie beugten sich über das Geländer und sahen den spiegelnden Lichtern auf dem Fluss zu. „Ich hab mir immer gesagt, wenn ich mal einen Jungen hab, wird das ein Ted“, sagte Doris. „Aber wie dann ein Mädchen kam, hab ich gedacht: Mein Teddy, der ist übern Jordan, und dabei ist es geblieben.“

Amarna nahm Doris Gesicht in die Hände und küsste sie auf den Mund. „Lieb dich, Dee.“

Ararat – “Und sie werden nicht vergessen sein”. Knaur Taschenbuch, 1. März 2016

Parispont

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Valentinstag – Plaisir d’amour

Ich finde es schwer, von der Liebe zu schreiben. Ich finde es auch schwer, von der Liebe zu lesen, obwohl ich auf beides scharf bin und all meine Bücher – die, die ich liebe, lese, wie die, die ich zu schreiben versuche – Eros-undThanatos-Bücher sein müssen oder mich merkwürdig kalt lassen. Dass ich das trotzdem so schwer, so mühsam und oft so ärgerlich oder unappetitlich finde, liegt – glaube ich – daran, dass ein Autor, der mir erzählt, wie seine Figur eine Strasse in Istanbul hinuntergeht, mir noch spielend Facetten vorzaubern kann, die mich überraschen, ohne so krampfhaft originell zu wirken, dass sich mein Kiefer mit verkrampft.

Aber ein Autor, der mir erzählt, wie seine eine Figur seine andere liebt?

Von der Liebe Geschriebenes soll nie gehört und doch wiedererkannt sein, zart und wuchtig, leise und unüberhörbar, einzigartig und so, als wäre es dem Autor nebenbei herausgerutscht, knochentrocken und süffig, irdisch und überirdisch, ganz echt und ein bisschen überlebensgross. Kann nicht gehen, oder? Ich gebe zu, für mich ist das die Königsdisziplin – die Steilwand, an der auch Autoren, die sonst in meinen Augen nichts falsch machen können, abrutschen.

Mein Champagner zum Valentinstag geht an all die, die es trotzdem können, die einen Trommelwirbel aus mir machen, wenn ich ihr Schreiben von der Liebe lese.

Schickt ihr mir – über welches Medium auch immer (wir sind ja jetzt verlinkt) – eure Lieblingsszenen von der Liebe? Ich würde mich freuen. Wenn ich genügend zusammenbekomme, sammle ich sie in einem eigenen Post – Liebe in grossen Dosen gegen Kälte in noch größeren.

Ich schenk euch auch eine und zwar meinen Klassiker. Die Wahl ist zwar alles andere als originell, aber ich kann mir nicht helfen. Seit 30 Jahren meine schönste Liebesgeschichte der Welt: Tschingis Aitmatov und “Dschamilja”:

Er gab ihr die zärtlichsten kasachischen und kirgisischen Kosenamen. “Ich liebe dich auch schon lange. In den Schützengräben habe ich von dir geträumt. Ich wusste, dass meine Liebe zur Heimat meine Liebe zu dir war, meine Dshamilja.”

“Dreh dich um, lass mich deine Augen sehen.”

Das Gewitter entlud sich. Ein von der Jurte losgerissenes Stück Schafwollfilz flatterte im Wind wie der Flügel eines verwundeten Vogels. Stürmische Böen trieben den Regen prasselnd auf die Erde. Es sah aus, als küsse er sie. Schräg über uns krachten mächtige Donnerschläge, die am Himmel rollend nachhallten. Bei jedem Aufzucken erglühten die Berge wie ein Tulpenfeld im Frühling. Wütend heulte der Sturm.

Araratsparkling