Solomon’s Song

Es ist schön (sehr schön) ((sehr sehr sehr sehr sehr schön)), meinem Roman Ararat irgendetwas zu schreiben. Aber am schönsten, das gebe ich frei von Schamröte zu, ist es, ihm von der Liebe zu schreiben.

Ich hab so etwas in der Vergangenheit nicht gern gemacht, obwohl ich immer davon schreiben will – von der Liebe, vom Krieg und vom Tod. Die Liebe schrieb sich so schwer. Was ich vom Krieg und vom Tod schrieb, hatte manchmal Ähnlichkeit mit dem, was ich im Kopf hatte. Was ich zur Liebe im Kopf hatte, kribbelte mir zwischen den Schenkeln, ich wollte beim Liebe-im-Kopf-haben immer nie meiner ordentlichen Schwägerin Theresa begegnen, aber auf dem Papier landeten zwei Trau-mich-nichts, die mit klobigen Schritten aufeinander zu strauchelten und wie Roboter nach Körperteilen langten, bei denen ich mich fragte, wo ein Mensch die eigentlich haben soll. Beim Im-Kopf-haben war mir lustig, beim Aus-dem-Kopf-herauszupfen lüstern und beim Aufschreiben verging mir die Lust.

Dabei lese ich das so gern. Bei D.H. Lawrence kann ich mir keine halbe Seite darüber geben, wie ein schöner Mann sich Butter auf ein Brot streicht, um’s mit in ein Bergwerk zu nehmen, ohne auf dem Stuhlkissen zu zerfließen. Dabei wird mir schummrig. Bei mir selbst wird mir schläfrig. Und das hat mich immer traurig gemacht, weil in meinem Kopf nichts vom Schlafen war.

Dann hab ich die Hatti geschrieben und alles war anders.

Und bleibt es.

Jetzt hab ich zwei, die schon zu tänzeln beginnen, wenn sie sich an entgegengesetzten Enden des Raumes gegenüberstehen. Lange ehe sie die Buttermesser zücken. Zwei, die kaum die Köpfe zu heben wagen, weil dann alles zu spät ist. So sehr zu spät, dass die blindlings in meine ordentliche Schwägerin Theresa hineinlaufen würden, weil sie nur Augen, Nasen, Hände, Füße (!) für einander haben. Zwei, die B sagen, lange ehe sie an A auch nur denken. Sie ist schön, und er ist der Schönste, aber wenn sie von ihren Butterstullen auf und einander in die schönen Augen sehen, werden sie so schön, dass es verboten werden müsste. Und in der Mitte ihrer Blickstrecke, da wo’s zusammenprallt, schmilzt ihr Autor. Ich.

Etwas in mir fand schon vor 36 Jahren über Salomons Hohelied, dass Nässe und Duft von Sex etwas vollkommen Heiliges haben. Du bist schön, mein Freund, schön bist du, unser Lager ist grün. Meine zwei, die selbst frisch gewaschen vor Sex stinken, sind mir so heilig wie die schönste Sünde.

Aus meinem Kopf, durch meinen Stift, auf mein Papier und zwischen meinen Lenden bricht ein kleiner Vulkan aus, ehe ich Zeit hab, mich um meine Schwägerin Theresa zu scheren. (Bin ja auch umgezogen … die wohnt nicht mehr um die Ecke)

Jetzt hab ich zwei. Jetzt hab ich so sehr zwei.

Die brauch ich nicht zu schreiben. Die schreiben sich nicht mal selbst für mich, denn um mich scheren die sich so wenig wie um meine Schwägerin Theresa. Die haben nur Augen und Hände, nur Nasen und Füße, nur sich schlingende Schenkel und lechzende Münder für einander. Die machen Liebe auf dem Papier, noch wenn sie ihre Hypothek begleichen, die Trümmer ihrer Parties begutachten und die Bretter mit ihren Butterstullen (er verträgt keine Butter, sie, wenn sie ihn lange ansieht, auch nicht mehr) sehr langsam, sehr lüstern beiseiteschieben.

Ich geh jetzt wieder. Mir nimmt das den Atem und jeden lästigen Rest von Anstand. Die haben Namen wie zwei Zirkusclowns, die zwei. Aber gegen das, was die versprühen, ist ein Pulverfass ein Schminkdöschen.

Erzählt ihr mir auch, wie ihr von der Liebe schreibt, wenn eure zwei (oder drei. Oder sechs) euch lassen?

Wir würden uns freuen. Charlie (gespannt) & Ararat (anderweitig beschäftigt)

Here to stay

Kennt mich noch einer?
Ich bin ganz kleinlaut. Aber diesmal bin ich wirklich hier, um zu bleiben. Und um zu tun, wofür ich den Blog einmal angeschafft habe: Meinem Roman beim Wachsen zuzuschauen und vor mich hin zu erzählen, was uns dabei so an den Hirnen vorbeischwimmt, meinem Roman und mir.
Inzwischen ist uns ziemlich viel passiert.
Wir haben unser Leben in hundertdreißig Kisten verpackt und unser Haus verlassen. „Andere Leute machen das auch“, hatte mein Mann beteuert. Dass wir es machen könnten, einfach in ein neues Haus spazieren und behaupten, das sei jetzt unseres, erschien mir trotzdem völlig unmöglich. Das Haus waren wir. Gemacht haben wir es aber doch. Die Kisten sind leer, die Bücher stehen alle wieder an Wänden, und wir leben immer noch. Und finden uns sogar allmählich wieder.
Die permanente finanzielle Katastrophe verbunden mit der Besessenheit, mir trotzdem einen Roman zu leisten, von dem ich fand, ich müsse ihn schreiben, haben mich – in etlichen Nachtschichten – erstmals gelehrt, wo meine gesundheitlichen Grenzen sind. Daran laboriere ich jetzt mit noch offenem Ausgang. Mich weiter durch Nächte schleppend und um unsere Existenz kämpfend. Aber zuweilen, nie frei von Argwohn, auf einen Lichtblick hoffend. Eine Atempause. Ein Stück Stille mit meinem Roman.
In dem Land, in dem ich in diesem Winter staunen, mich berauschen und arbeiten wollte, ist Krieg. Wann der aufhört, ist fraglich. Und was dann von dem Land noch übrig ist, erst recht. Ich kann mich nicht erinnern, wann mich zuletzt etwas so traurig gemacht hat, so hilflos, so ohne Begreifen. Etwas tun würd‘ ich gern. Wenn das möglich wird, schreib ich’s hier auf. Bis dahin kann ich an das Land zwischen den zwei Flüssen nur denken. Das nützt dem Land nichts. Aber ich tu’s trotzdem.
Tja.
Und dann hab ich noch den Roman.
Selbst einen geliebten Roman kann man ja nicht ständig nur lieben, sondern muss ihn auch schreiben. Muss stinknormale dramaturgische Entscheidungen treffen, muss stinknormal erleben, wie man stinknormal scheitert, wie die Sprache auf dem kleinen Weg zwischen Stirnoberfläche und Papieroberfläche sich stinknormal das Rückgrat bricht. Dabei hat sich’s bei mir dann in der Vergangenheit immer ausgeliebt und ist stinknormal geworden. Aus dem auf die Füße (ach nee, das ist ja schon wieder Ararat) geküssten Lieblingsprojekt wurde das Zeugl, das ich hier eben schreibsel und das meistens nicht ganz, manchmal noch weniger und allzu oft gar nicht gelingt. Lieben – zwischen schönen Männern, vor Leben berstenden Kindern, Rosetta-Steinen, Ishtar-Toren und ersehnten Ländern im Krieg – konnt‘ ich Romane von anderen. Aber nicht meine.
Als ich angefangen habe, meinen Berg-Roman aus meinen Armen und durch meine Bleistiftspitze auf mein Papier zu lassen, war mir klar, dass mir das wieder passieren könnte. Ich habe damit gerechnet. Und versucht, mir einzureden, dass das keine Tragödie ist. Ob’s eine gewesen wäre, kann ich jetzt gar nicht mehr feststellen, denn es ist nicht passiert. Ich lieb ihn immer noch. Ich mache stinknormal Müll mit ihm, aber ich fühl mich nicht stinknormal, sondern immer noch glücklich. Und manchmal frag ich mich, ob ich auf meine alten Tage wohl noch lerne, was Treue ist.
Und was mach ich dann?
Zehn Bände schreiben?
Nein, denn das wäre nicht treu, sondern besitzergreifend (ich wette, ich hab irgendwann mal behauptet, das sei dasselbe …). Wenn er mit mir fertig ist, darf er gehen. Das tut er nämlich sowieso. Zum biederen Ehemann taugt er nicht, sondern ist ein Flirt. Zärtlich und zerstreut. Flatternde Wimpern, flatterndes Herz. Mach dir keine Sorgen, Schöner. Lauf weiter. Wenn du gehst, dann wink ich dir, auch wenn ich weiß, dass du im Grunde schon weg bist und den Kopf nicht drehst.
Ach ja. Verkauft hab ich ihn in der Zwischenzeit. Ob das gut geht, werden wir mal sehen, aber es schien mir für ihn die richtige Entscheidung. Ich möcht‘ ihn in Papier. Ich möcht‘ ihn in den Händen der grandiosen Lektorin, die ich mir nicht hätte leisten können. Ich möcht ihn so schön präsentiert wie seine Schwester, die hier schon fast an der Tür steht. Ich möchte mehr für ihn, als ich ihm hätte geben können. Dass ich ihm auch etwas hätte geben können, was ihm sonst keiner gibt, steht seltsamerweise außer Frage. Aber „ein bisschen Schwund ist immer“. Und vor allem wollte ich das für ihn: einen gesicherten Weg. Eine Tür zur Welt.
Books

Back home

Wenlock

Da ich im Moment nach einem Facebook-Rausch einen Facebook-Kater habe, krauche ich reumütig in meine Höhle zurück und hoffe, hier will mich noch einer. Ein bisschen zeige ich mir selbst die kalte Schulter und ätze „hab ich dir doch gleich gesagt“, aber damit kann ich leben. Ich kenn mich ja. So heiß, wie ich koche, ess ich gar nichts. Ganz richtig zum Freuen ist mir nicht, dazu ist zu sehr Zweitausendundvierzehn und ich bin zu erschöpft. Außerdem mache ich gerade höchst eigenartige Erfahrungen, für die ich Kollegen – ich geb’s wenigstens freiwillig zu – mal unter gefurchten Brauen beäugt habe. Sodass mich die Tatsache, dass ich derzeit nicht so richtig weiß, was ich für die zwei Geschichten, die sich mir ins Herz gefressen haben (ja, ja, ich weiß …), noch tun kann, gelinde in Richtung Wahnsinn treibt. Mir fehlt mein Berg. Dass ich nicht weiß, wie er im Sommer aussieht, ist so falsch.

Aber unerwähnt bleiben soll das hier auf gar keinen Fall, denn es reißt uns an den Schultern hoch und wirft uns wieder in die Laufbahn, und es ist Menschen zu verdanken, die uns ihre Zeit, ihr Geld, ihre Aufmerksamkeit schenken. DANKE! „Als wir unsterblich waren“ und ich (und Wenlock) stehen auf Platz 22 der Bestsellerliste und weinen darüber auch in dieser Woche. Weil das schön ist, einen Erfolg erleben zu dürfen, ohne ein Sieger sein und wie einer gehen zu müssen. 

Fußball ist unser Leben?

Football

Was ist eigentlich so toll an den ganz großen, global geliebten Sportereignissen, den olympischen Spielen und der Fußball-Weltmeisterschaft?

Antworten lassen sich in langer Liste aufführen, und eine der schönsten (es gibt ja auch weniger schöne) ist dieses Welt-umarm-Gefühl, seid umschlungen Millionen, Leidenschaft geteilt mit ungezählten Artgenossen.

Eine andere ist dieser Spalt im Jahr, durch den man für ein paar Wochen aus dem eigenen Leben in eine Art Dauer-Festival flüchten kann. Es gibt nur noch ein Thema, das von Belang ist. Liebeskummer, Wohnung feucht, Job verloren – macht alles nichts, heute Abend spielt Frankreich. Es ist die einzige Zeit, in der es salonfähig scheint, in der Zeitung nicht die Schreckensnachrichten zuerst zu lesen, sondern den Sportteil.

Ein paar Wochen lang sieht man seine Freunde und Verwandte fast allabendlich, und dass man eigentlich keine Zeit für Dauer-Parties hat, ist egal, denn: „Nun sei doch nicht so – ist doch nur alle vier Jahre …“ Wer einem auf der Straße begegnet, wird mit: „Kommste rum? Anstoß um acht, aber wir gucken schon den Build-up“ begrüßt. Das Haus ist dauerdekoriert wie sonst nur zu den großen Feiertagen. Die Kiste mit liebevoll gesammelten Deko-Souvenirs stammt noch aus der Kindheit der Erstgeborenen, und das Wiedersehen mit France-98-Shirts, aufblasbaren England-Sesseln und Vuvuzelas hat etwas vom Auspacken der Weihnachtskrippe: „Guck mal!“ und „Weißt du noch?“ Man hat auf einmal ein Thema mit jedem – auch mit dem ewig meckernden Kunden, dem übellaunigen Busfahrer und der Telefonstimme im Call Center.

Vier Wochen lang werden Lieder gedichtet, Sprüche gesammelt und exotische Kochbücher bemüht. Wir sind ein internationaler Haufen, bei uns findet jedes Team (außer die USA, das hat Tradition) seine Fans, es wird für jedes Team landestypisch gekocht, und spätestens nach dem Anstoßen mit portugiesischem Wein oder belgischem Bier fühlt sich unser knallbuntes Mini-Stadion ein bisschen an, als sei die Welt in Ordnung.

Ich bekenne: I love it. Es ist immer Sommer, wenn um den WM-Pokal gekickt wird. Gimme hope, Joachim. Auch wenn es im eigenen Leben regnet.

Dann ganz besonders. Ich habe es schon als Kind schwierig gefunden, wenn am „Tag danach“ auf einmal alles leer war. Kein Banner an der Tür, kein Buffet in der Küche. Keine Klebebildchen zum Tauschen, kein  Alltag, der im Rutsch verfliegt, weil abends die Party wartet. After the ball is over – der Spalt schließt sich, die Luftschlangen werden aufgekehrt, und wir müssen in unser Leben zurück. In der Zeitung steht wieder, dass im Irak Menschen sterben, und die eigene Existenzangst – vier Wochen lang gedämpft durch ein bunt bemaltes Wir-schaffen-das-schon – sitzt auf einmal wieder so eisig im Nacken wie zuvor.

Ich mache keinen Hehl daraus. Es fällt mir in diesem Jahr schwerer denn je. Schminkfarbe aus den Augen wischen und feststellen, dass das, was man vorher als unerträglich empfand, nicht nur in der Halbzeitpause flüchtig zwickt, sondern tatsächlich unerträglich ist. Begreifen, dass man kein Weltmeister ist und auch niemals einer werden konnte, sondern auch weiterhin Endlos-Hampler im Hamsterrad bleibt. Dass man totmüde ist, nicht weil’s gestern so schön war – und hast du das Wahnsinns-Tor in der Verlängerung gesehen? – sondern weil sich der Tag vor einem ohne Silberstreifen dehnt.

Das ist nicht einfach.

Aber es zeigt mir auch einmal mehr: Ich mag die gern, die Sportler, die mir immer mal wieder vier Wochen Aufatmen, Wegschauen, Leben schenken, wenn ich es am meisten brauche. Ich bin denen wieder einmal – und mehr denn je – dankbar. Und unserer Fan-Gang, die seit Jahrzehnten mit uns feiert, erst recht. Wenn’s mir heute wieder im Nacken graut, im Kopf dröhnt und im Magen wühlt, habe ich ein Echo von „Brazil, Brazil“ noch im Ohr. Schön war’s. See you next time. Und bis dahin passt gut auf euch auf.

Küssen nach München

Roseunclewalter
München war zum Küssen. Und bei einer Kollegin habe ich gerade gelesen, dass heute der „Welttag des Kusses“ ist. Luschtig, was es alles gibt. Weit aufregender fand ich aber die Idee der Kollegin, zu diesem Anlass eine eigene Kuss-Szene, die man gern mag, zu posten. Noch vor zwei Jahren hätte ich nicht den leisesten Wunsch verspürt, dabei mitzumachen, sondern hätte mich leicht neidisch verkrochen, denn so etwas hatte ich nicht – eigene Kuss-Szenen, die ich gern mochte. Jetzt hatte ich Probleme, mich zu entscheiden, und das freut mich zum Küssen! So sehr, dass ich riesige Lust bekomme, eure Kuss-Szenen zu lesen. Wer küsst mit und postet mir hier – oder bei Facebook – welche dazu (Link zu eurer eigenen Site ist natuerlich genauso gut).

Wie hinreißend, mit einem Primo uomo zu verkehren, der weiß, wie man’s macht. Ich möcht‘ ihn immerzu küssen, wo er schön ist.

Hier kommt Hatti die Erste (von Ararat ganz zu schweigen):

Seine Miene war skeptisch, und Amarna musste wiederum an das Gilgamesch-Epos denken, an ihre Lieblingsverse über Enkidu, der mit der Wohltat von Speise und Trank nichts anzufangen wusste:

„Brot legten sie ihm vor.

Bier stellten sie ihm hin.

Enkidu aß nicht das Brot, ratlos schaute er in die Runde.

Brot zu essen hatte er nie gelernt,

Und Bier zu trinken war ihm unbekannt.“

Er nahm ihr den Becher aus den Händen, trank und gab ihr das Gefäß zurück. Als ihre Hände sich trafen, strich sie ihm über den Handrücken. Erstaunt sah er sie an. Sie sah ihn auch an. Ohne Worte rückten sie zueinander. Amarna stellte den Becher auf die Lehne. Sie legte die Arme um den Fremden, spürte unter den Fingerspitzen das Zucken gespannter Muskeln und suchte behutsam, um ihm nicht wehzutun, seine Lippen. Er legte die Arme um sie und fand die ihren sofort. Hätte sie den Mund nicht gleich darauf vollgehabt, hätte sie aufjauchzen wollen. Sie hatte nicht gewusst, dass man einen Menschen so küssen konnte, ohne etwas zu denken, das ablenkte, ohne etwas zu fühlen als Lippen, Mundhöhle, Hunger und Entzücken.

Als er sich löste, war sein Gesicht verändert, auch wenn er noch immer nicht lächelte. Sie sah seinen frisch geküssten Mund an und glaubte, ihr Inneres wie Espenlaub rascheln und flüstern zu hören. Flüchtig betastete er sich die Schultern, als fiele es ihm schwer zu fassen, dass ein Mensch ihn bis eben an diesem Teil seines Körpers in den Armen gehalten hatte. Dann begannen seine schlanken Finger ihr das Haar hinter die Ohren zu streichen, immer wieder, sooft es nach vorn fiel, wie in einem Spiel, von dem er nicht genug bekommen konnte. „Amarna“, sprach er vor sich hin, jede Silbe wie eine der Perlen an ihrem Armband. „Amarna.“

Wieder in Eile

Etwas in ihrem schönen Mann war ohne Ruhe. Etwas in diesem Heimatlosen, der sich nichts mehr gewünscht hatte, als Land zu besitzen und sesshaft zu werden, schlug keine Wurzeln. Der einzig Übriggebliebene streunte haltlos einsam durch Leere. Manchmal nahm sie ihn so fest in die Arme, dass es ihm wehtat, damit er sie spürte. Er aber starrte an ihr vorbei und gab keinen Laut von sich.

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In aller Eile

ein Gruß von meinem Berg:

„Ich will dich nicht unter einem Schleier von Traurigkeit lieben.“

„Und wenn es anders nicht geht?“

„Dann doch.“

Schönen Samstag wünschen Charlie und Ararat

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Fußball ist unser Leben

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Da ich mehrfach gefragt worden bin, ob die Fußballweltmeisterschaft bei uns nicht stattfindet, möchte ich gern darauf antworten: Doch. Fußball wird in diesem Haus sehr geliebt, wir nennen es The beautiful game und sind ihm durch ganz Europa hinterhergereist. Ich habe mich an den großen Mittelfeldspielern meiner Zeit – Platini, Maradona, Zidane – genauso abgeschmachtet wie an den großen Tenören. Außerdem haben wir hier eine unausrottbare Schwäche für das Pathos, das große internationale Sportereignisse auslösen. Mir ist nur – vielleicht weil ich ein Buch über ein solches Ereignis schreibe – zum ersten Mal am eigenen Leib bewusst, wie vorsichtig man mit diesem Pathos sein muss. Pathos lässt ein Stück wachsen, das ist angehm, aber es fällt mir diesmal nicht so leicht, den Kopf in den Wolken zu vergraben und zu ignorieren, was außerhalb der Stadien geschieht.

Dies, ums gesagt zu haben. Die Diskussion darüber möcht‘ ich gern führen, aber nicht hier. Und nichtsdestotrotz haben wir gestern Abend die überraschende, stürmische Schönheit des Frankreich-Spiels von Herzen genossen. The beautiful game. Da war der Zauber, mit dem dieses Spiel die halbe Welt kirre macht, wieder unwiderstehlich, und gerade deshalb müssen wir sorgsam damit umgehen.

Passend dazu empfehle ich heute das schönste Buch über Fußball, das ich kenne. Javier Marias: „Alle unsere früheren Schlachten“. Eine Essaysammlung des Spaniers, der für mich ohnehin zu den lesenswertesten lebenden Schriftstellern gehört. In gewohnter sprachlicher Makellosigkeit widmet sich Marias seiner privatesten Leidenschaft. Eben weil das Buch so privat ist, weil es das Eingemachte, das aus der Kindheit Heraufgeschleppte nicht ausspart, ist es tief berührend, und eben deshalb zugleich ein höchst politisches Buch. Die kurzen Texte eignen sich für die Halbzeitpause – und sind auch als Geschenk an die Menschen in unserem Leben zu empfehlen, die wieder einmal gern erklärt hätten, warum wir in den kommenden drei Wochen Abend für Abend am Fernsehschirm kleben.

Ohne Titel

Eine Kollegin hat vor kurzem – aus leider berechtigtem Anlass – mit einer Spur Bitterness festgehalten, dass Autoren untereinander in erster Linie Konkurrenten und erst dann Kollegen sind.

Auch wenn mir der Grund dafür ins Gesicht sprang, hat sich alles in mir dagegen gesträubt. Ich bin kein edler Mensch und versuche nicht, mich als einen solchen zu verkaufen, aber andere Leute, die Bücher schreiben, habe ich nie als Konkurrenten erlebt. Wenn ich ihre Bücher mehr mag als meine, dann sind sie die wundervollen Leute, die den Stoff liefern, nach dem ich mehr als nach allem anderen süchtig bin.

Ich habe von Kollegen in den Jahren, in denen ich meine Büchln durch die Verlagswelt schleife, unschätzbare Hilfe erfahren. Ohne die Unterstützung zweier Kolleginnen wäre mein erstes Buch nicht veröffentlicht worden. Ohne den Zuspruch dreier Kollegen hätte ich mich nie getraut, überhaupt ein Manuskript an einen Agenten zu schicken. Ohne die Ermutigung vieler Kollegen, ohne ihren Galgenhumor, ihre Ideen, ihre Gemeinschaft hätte ich zwischendurch schlappgemacht. Und ohne den Rat und die Umsicht zweier Kolleginnen wäre mein letztes Buch vermutlich kein Bestseller.

Diese Hilfe in gleichem Umfang zurückzugeben, war mir bisher nicht möglich, aber wo ich die Möglichkeit hatte, mich im Kleinen zu revanchieren, habe ich mich gefreut. Romanprojekte, denen ich beim Wachsen zuschauen durfte, waren ein bisschen auch meine, und negative Erfahrungen sind mir in diesem Feld erspart geblieben. Insel der Seligen. Wir gegen den Rest der Welt. Virtuelles Großraumbüro mit Trost-Quatsch-Zone um den Kopierer.

Dass damit jetzt Schluss ist, schockiert mich, obwohl ich mich frage, wie naiv ich als Oma von knapp fünfzig eigentlich bin. Und dass ich damit nicht umgehen kann, gebe ich freimütig zu. Auf einmal kommen die hämischen Stimmen, das vermeintlich wissende Gezischel, das verblüffend hart trifft. „Man muss also nur lange durchhalten.“ „Hartnäckigkeit zahlt sich aus.“ „Da spreche ich einfach von Glück.“ Es stößt herb auf, zu entdecken, wer sich keinen Glückwunsch abringen kann, wer auf einmal Solidarität entzieht oder ganz verschwindet. Besonders schwer zu schlucken ist dabei, dass das nicht aus den Reihen derer kommt, die kontinuierlich weit größere Erfolge erzielen, und auch nicht aus den Reihen derer, die tapfer kleinere Brötchen backen. Sondern aus den Reihen derer, von denen ich jahrelang geglaubt habe, wir würden in derselben Liga spielen, uns gegenseitig die Schultern klopfen, wenn wir wieder mal abgestiegen sind, und uns doof freuen, wenn’s einem von uns gelingt, die Nase nach oben durchzustecken, wenn auch nur für Sekunden.

Dieser Irrtum tut ziemlich weh. Er spuckt in meine Suppe und rüttelt ein bisschen an den Pfeilern, auf denen ich in der nächsten Zeit stehen wollte. Dazu gibt’s auch kein Aber. Was uns nicht umbringt, mag uns härter machen, doch hat irgendwer dazu Lust?

Life copies Literature

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Life copies Literature

In meinem Hattuša-Roman fürchtet sich eine Figur vor hohen Gebäuden. Sie träumt von einstürzenden Felswänden, rennt schweißnass aus dem Film „Metropolis“ und erträgt ihren Tisch im Lesesaal der Uni nicht mehr, weil die Stapel um sie in die Höhe wachsen.

Mein Mann hat heute früh ein Foto von meinem Schreibtisch gemacht und es mir mit der Nachricht ‚Attention, you turn into your character‘, geschickt.

Seither verspüre ich Anflüge von Platzangst.