Metamorphosen

Mein Traum

ist  jetzt

ein Buch.

Schau mal, Ararat …

Araratmetamorphosen

Der ganz links, das warst du im Embryonalstadium. Die Kladde habe ich im Dezember 2013 sofort nach Landung gekauft (nicht etwa in London, sondern bei Karstadt Berlin),  nachdem du mir während des Fluges in meinen Kopf geplatzt warst. Darin hab ich alles gesammelt, was mir begegnet ist und ein Teil von dir werden wollte. Da ich damals die ganze Welt durch eine von dir geformte Brille betrachtete, wollte irgendwie auch die ganze Welt ein Teil von dir werden.

Der zweite von links wurdest du, als die Kladde mit den Notizen aus allen Nähten platzte. Das war, als wir im Vorderasiatischen Museum Berlin, unseren ersten Termin hatten. Gleich nach den Gesprächen habe ich dir dort im Shop die Kladde gekauft und angefangen, dein Konzept einzufüllen.

Der zweite von rechts, der mit dem Rosetta-Stone-Design aus meinem, deinem, unserem British Museum, der lag schon hier und wartete auf dich. Darin ist deine allererste Version entstanden, die ich “Bleistift-Version” nenne, obwohl ich sie bei dir als einzigem meiner Romane mit einem Tintenstift geschrieben habe. Erst als ich vor lauter Durchgestreiche diese Version kaum noch entziffern konnte, habe ich angefangen, dich in meinen Computer zu tippen.

Und der ganz rechts, Ararat – ob ich’s glaub oder nicht – der bist du jetzt. Meine schönste verrückteste Idee, mein Traum, mein Hast-du-nicht-Stress-genug? tut so, als wäre es das Normalste auf der Welt, ein Buch zu sein.

Danke, Ararat. In deine vier Papierohren von links nach rechts flüstere ich dir nichts als die Wahrheit: Für mich bist du das schönste Buch auf der Welt.

Nur der in der Mitte, den Corinna uns geschenkt hat, der warst du nie, my love, und der wirst du auch nie sein.

Das ist Smyrna.

 

 

 

 

Niemand wartet in dieser Stadt

So hätte ich meinen Roman Ararat nennen wollen. Stattdessen steht die Zeile von Mascha Kaleko jetzt vor dem ersten Teil. Und vor den anderen Teilen stehen auch Zeilen von der Berliner Dichterin, die sich entwurzeln musste und in eine Stadt fliehen, in der niemand auf sie wartete.

So wie meine Figuren Professor Brandstätter und Paul.

“Professor Brandstätter wartete in einem grauen Mantel und mit einem einzigen Koffer am Bahnsteig. Paul trug ebenfalls einen grauen Mantel und hatte einen einzigen Koffer. In ihren Reisepapieren standen zur Sicherheit bereits falsche Namen.

„Ihre Bekannte?“

Paul schüttelte den Kopf. Es war ihm nahezu unmöglich, zu sprechen, und so erging es ihm die ganze Fahrt über. Brandstätter sagte auch fast nichts, murmelte nur auf den einzelnen Bahnhöfen die Namen der Städte, die auf den Schildern standen. Dass er sie wiedersehen würde, war unwahrscheinlich. Er war über siebzig, und mit einer Wende im Kriegsgeschehen war nicht zu rechnen, jetzt, wo die Amerikaner erklärt hatten, ein Eingreifen komme für sie nicht in Frage. Aber er hatte seine Tochter, die in London auf ihn wartete. Er bekam eine Familie. Wenn er dazu nichts weiter tun musste, als Arman Artsruni auf die Schulter zu klopfen, konnte Paul ihn nicht sonderlich bemitleiden. Die meisten Leute waren im Herbst des Jahres 1941 vor schlimmere Aufgaben gestellt.

Auf ihn, Paul, wartete niemand in der fremden Stadt.

Ararat – “Und sie werden nicht vergessen sein”. Knaur Taschenbuch, 1. März 2016

Londonmorning