Die Carmen macht’s nicht. Sich umdrehen und dem Leser ein Lächeln stiften. Sie macht gar nichts, sagt sie, und ihre Figuren überlässt sie mir auch nicht. Ich soll meine eigenen benutzen oder mir neue suchen, die Welt zwischen Erdoberfläche und Himmelsrand sei voll davon. Die Carmen spinnt. Sie hat kein Herz und kein Nervenkostüm, deshalb ist sie ahnungslos und hat keine Vorstellung vom One-and-only.
Für mich gibt’s keine anderen Figuren. Keine alten und keine neuen. Für mich gibt’s keine anderen Romane. Nur Ararat. Heute erfahren, wie der deutsche Titel von „Spellbound“ heißt und mich amüsiert: „Ich kämpfe um dich.“ Und ob. Heute gelesen bei einer Kollegin: „Ich mag ansehnliche Männer.“ Wer bitte nicht? Ich schon immer und mit knapp vor fünfzig umso mehr. Schulterbreite, Haar schwalbenfarben, Beine wie Galgenstricke und das Grinsen verklemmt im rechten Mundwinkel. So einen schönen wie dich find‘ ich nie wieder. Die Carmen kann mich mal. Ich kämpfe um dich. Wenn wir jedem Risiko zuvorkommen, wird das Leben zum Coitus interruptus und so sexy wie Schweißfüße (wobei ich bei Füßen schon wieder ins Schwitzen komme).
Ich will nichts Handzahmes. Ich will dich. Keinen Chemiebaukasten, sondern einen Roman, bei dem mir das Reagenzglas explodiert.
So geht das besser. Wollen, nicht betteln. Und weil ich noch immer mit dem Rücken zum Leser steh und weder handverwackelte Fotos noch brandaktuelle Berichte zur Lage der abendländischen Kultur zu bieten habe, um von der Nabelschau abzulenken, kam mit heute die Idee, ich könnte mit dem Leser zumindest die aufregenden Schönheiten teilen, die gebratenen Tauben, die mir während des Tages in den Mund fliegen, das was an meinem Leben noch lange nicht fünfzig und unheimlich sexy ist. Worte. Die hier zum Beispiel, von Ossip Mandelstam: „Ringsum reicht den Augen das Salz nicht aus. Man erhascht Formen und Farben – und all dies ist ungesäuertes Brot. So ist Armenien.“
Schönen Abend, ansehnlichste Nacht.
Charlie