Das Leben ist schön

Vielleicht sollte ich das – um Missverständnisse selbst unter nicht existenten Lesern zu vermeiden – ab und an hier erwähnen. Das Leben ist schön. Es ist voller Yerevans, Musa Daghs, Brahms-Sinfonien, gespitzter Pferdeohren, Mandelstam-Gedichte, langer Läufe vor Sonnenaufgang. Vermutlich vergesse ich, das zu erwähnen, weil ich so sehr daran gewöhnt bin. Das Leben ist schön. Nur das Schreiben nicht. Was mein Gejammer über das Schreiben – zugegeben – zum Gejammer auf hohem Niveau macht.

Ich habe gerade gelesen, dass es sich bei Arachibutyrophobie um die Angst handelt, Peanutbutter könnte einem am Gaumen kleben bleiben. Bemerkenswert. Wie die Angst vorm Nicht-schreiben-können heißt, habe ich nicht gelesen. Stattdessen frage ich mich wieder einmal, warum einer, der in bald vierzig Jahren gelernt hat, dass er nicht schreiben kann, der sich vorm Schreiben fürchtet und der sich mit dem Schreiben ins Leben, das schön ist, pfuscht, verbohrt und unbelehrbar weiterschreibt. Wieso muss ich am Schreibzwang leiden, wieso kann ich den nicht beispielsweise gegen das bemerkenswerte Erdnussbuttergrausen eintauschen?

Mein Trotzfuß möchte aufstampfen und behaupten: Weil mir manchmal so etwas wie mit Hattuša passiert. Aber zum einen ist mir Hattuša nicht manchmal, sondern nur einmal passiert, und zum andern frage ich mich gerade, ob ich nicht Hattušaphobie entwickeln sollte, denn bei Licht betrachtet wäre es allmählich an der Zeit, festzustellen, dass Hattuša nichts anderes ist als ein konventioneller Liebesroman der Sparte leichte Unterhaltung. Einer, auf den man ein Trivialroman-Fotocover pappen könnte (wogegen mein Magen krampfend protestiert und behauptet, er leide an Fotocoverphobie). Außerdem ist Hattuša im Lektorat und ich darf an ihn nicht mehr dran, darf aus ihm nicht einmal den besten konventionellen Fotocover-Liebestrivialroman der Sparte leichte Unterhaltung machen, den ich daraus machen könnte. Unterm Strich wird Hattuša für Leser, die ihn nicht liebeslechzend und halbblind betrachten, dasselbe sein wie die, die vor ihm kamen: Ein Schnellverbrauchsroman voller Schwächen (mit dem Vertreter desselben Genres, den ich gerade von einer Kollegin gelesen habe, kann er technisch zum Beispiel nicht im Mindesten mithalten. Und außerdem hat er nach wie vor einen sogenannten Love Interest – gibt’s Loveinterestphobie? – der erst auf Seite 150 auftritt).

Love you, Hattuša.

Das Leben ist schön. Nach R’s Konzert haben wir ein Restaurant entdeckt, das wirklich und wahrhaftig Erebuni heißt. Gestern wollten wir vor lauter Yerevan-Sehn- und Fühlsucht dort essen gehen, doch es hatte geschlossen, weshalb wir in einem soliden Londoner Pub landeten und nichts aßen. Zum Ausgleich bleiben – nachdem wir kurz vorm Aufgeben waren – die ersten ostarmenischen Worte hängen. Ganz wirklich. (Dass ich lieber westarmenische Worte lernen würde, weil ich unverbesserlich bin und jeder todesgefährdeten Sprache meine Liebe nachschmeißen muss, behalte ich jetzt mal für mich. Man kann ja nicht an allem herummeckern. Gibt’s eigentlich Sprachtodphobie?) Heute backt R, der der Backsucht verfallen ist, für einen Abend mit Freunden Focaccia und ich soll Polenta machen. Ich wollte ihn überreden, stattdessen Lavash zu backen, und bot an, mich zum zweiten Mal an Harissa zu versuchen, aber er traut sich nicht. Ist auch gut so. Focaccia ist Zuhause, und Lavash ist der schöne, fremde Geliebte. A dekantiert ausnahmsweise Chianti Classico. Das Leben ist schön.

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