Lotti Lyne und Sam Mendes träumen vom ‘Empire of Light’

Muss ich hier jetzt hier was Vernünftiges schreiben? 

Echt?

Lieber schreib‘ ich, was ich zu meinem Mann gesagt habe, als wir aus dem Kino kamen: Wenn man als junger Mensch verzweifelt Filmemacher werden will, einem aber das Talent fehlt – warum kommt man eigentlich nicht auf die Idee, stattdessen ein kleines Kino zu eröffnen?

Wir gingen sehr eng und sehr sentimental nach Hause und dachten: 

Hätten wir das gemacht, wären wir jetzt bankrott, aber wow, was hätten wir die Köpfe voller Bilder.

Anyway. Ich versuch‘ mich noch an was Vernünftigem:

Gestern Abend, auf der glamourösen Amex Gala, als Sam Mendes anfing zu erklären, worum es in seinem Film ging, wurde mir mulmig zumute, denn in Filmen, bei denen erklärt werden muss, worum es in ihnen geht, geht es so gut wie nie um etwas, das ich sehen will. Mich interessiert nicht, ob einer die Geschichte seines eigenen Lieblings-Haustiers verfilmt hat, sondern einzig und allein, ob mich das Haustier auf der Leinwand berührt.

Und dann war da ja noch der große ‚1917‘, der eigentlich mein Film des Jahres hätte werden müssen: Mein Thema, mein Genre, mein Lieblingskameramann … ich habe nie richtig verstanden, warum ich ihn dermaßen gimmicky und gewollt fand, warum er mich so kalt ließ.

‚Empire of Light‘ war wieder mein Thema, mein Genre, mein Lieblingskameramann (Unser aller Lieblingskameramann, oder? Roger Deakins? Der Beste, den wir haben) – und auf einmal war ich mir sicher, ich würde ihn grauslig finden.

Aber ich lieb‘ ihn. Ganz wirklich.

Er hat etliche Schwächen: Viel zu viele Themen in einen einzigen kleinen Film gequetscht, viel zu viel Gedichte-Leserei (wer möchte denn auf der Leinwand Gedichte vorgelesen bekommen? Die Leinwand ist gemacht, um den Augenblick zu feiern, nicht um versuchsweise Ewigkeit zu schaffen), und ein Schlussakt, bei dem nichts mehr hilft als ein kompletter Schnitt (Olivia Colemans leuchtende Augen und ihr ‚Show me a film!‘, das ist das einzige Ende, das taugt. Der Rest in die Tonne bitte). Er müsste unbedingt scheitern, aber bei mir traf er ins Schwarze. ‚Empire of Light‘ zeigt mir einmal mehr, wie viel lieber mir ein Werk ist, das Schwächen und Fehler aufweist, aber authentisch, mutig, originell und zärtlich ist, als ein perfekt poliertes wie ‚1917‘, das in der Welt zu sein schien, um einen Oscar zu gewinnen (den es verblüffenderweise nicht gewann) und aus keinem anderen Grund.

Ich kann endlich eingestehen, dass ich Sam Mendes‘ großen Film nicht mochte. Aber ich liebe seinen kleinen. Ich fand ihn liebevoll, nostalgisch, warm und aufrichtig. Roger Deakins‘ Bilder sind schmerzlich schön, der Mensch wird einfach nur besser und besser, und für das Ensemble gibt’s gar keine Worte. Die sind ein Genuss, Aufnahme für Aufnahme. Herausragend für mich: Tom Brooke und natürlich our one and only Olivia Coleman.

Ich hatte einen wundervollen Abend. Einen Kinoabend, wie ich ihn mein Leben lang liebe, voller Popcornduft, Plüsch und Musik, voller Träume und Tränen.

Und wenn ich noch einmal jung wäre, würde ich einen Kredit aufnehmen, ein kleines Kino eröffnen und eines Tages bankrott da sitzen, wenn die Lichter ausgehen. In meinem eigenen Empire of Light.