Pferde haben Equidenpässe. Die dienen zwar nicht zum Nachweis des Eigentümers (obgleich dieser verzeichnet ist), wohl aber zum Nachweis der Zugehörigkeit zur zoologischen Gattung Pferd. Wer keinen Equidenpass hat, ist offiziell kein Pferd und darf mithin auch nicht geschlachtet werden.
Romane haben Exposes. Darin wird zwar auch nicht zweifelsfrei nachgewiesen, wer ihr Eigentümer ist, aber ihre Zugehörigkeit zur Gattung Roman sowie der jeweiligen Unterart triumphal festgelegt. Du bist jetzt ein Pferd, Ararat. Auch wenn die Sache mit der Unterart sich nach wie vor schwierig gestaltet. Ich würde in die Sparte gern Eine Liebesgeschichte zur Zeit des Zweiten Weltkriegs eintragen, aber das ist vermutlich so attraktiv, wie wenn im Equidenpass ‚buckelnder, keilender Trensenverweigerer‘ stünde. Der arme Gaul würde geradewegs in der Lasagne landen. Also habe ich jetzt erst einmal ‚Familiendrama‘ draufgeschrieben, was – finde ich – nach irgendwelchen schütterhaarigen Blondlingen klingt, die dauerlächelnd durchs Vorabendprogramm der Glotzkiste hopsen. Vielleicht streiche ich das wieder aus und lasse einfach ‚Roman‘ stehen. So wie einfach ‚Pferd‘. Und sicherheitshalber setze ich einen Haken in die Box ‚Nicht zur Schlachtung für den menschlichen Verzehr bestimmt‘.
Die Angabe des Namens ist im Equidenpass freiwillig. Ich habe freiwillig ‚Ararat‘ reingeschrieben und mein Herz genossen, das so tat, als würde es mir gegen den Kehldeckel klopfen. So gefühlt hab ich mich zuletzt 1995. Damals schrieb ich unter ‚Angabe des Namens‘: ‚Glencoe, born under a Chestnut Tree‘. Heut ist mein Kitsch mir (wenigstens partiell) peinlicher, also schreib ich nix mit ‚born under‘ und dein Geburtsdatum hab ich auch vergessen, Ararat. Das von Glencoe war der 6. Dezember 1995. Aber der Roman ist nur geschrieben, nie gedruckt worden, so don’t complain.
Die Frage des Eigentümers bleibt die schwierigste. Nicht nur wegen der weiterhin ungeklärten Rechtslage, sondern mehr noch wegen der Carmen. Und meinetwegen. Ich möcht‘ gern, dass in der Sparte „Charlotte Lyne und Carmen Lobato“ steht (was die Carmen möchte, erzähl’ ich lieber nicht). Von verschiedener Seite wird mir nahegelegt, das sei doof, ich solle lieber „Charlotte Lyne schreibt als Carmen Lobato“ reinschreiben. Aber das passt nicht. Wenn ich als die Carmen schreibe, wenn ich das überhaupt kann – wo ist denn dann das, was ich bin, im Ararat?
Darf man beim eigenen, ganz und gar selbstgebastelten Roman etwas, das doof ist, trotzdem machen, weil man’s nicht doof, sondern chic findet? Schließlich dient der Romanpass ja nicht dem Nachweis des Eigentümers. Nur dem Nachweis der Gattung. Pferd, Ararat. Salatbeet. Roman.
Unser Lavash war zu lange gebacken, aber das ganze Haus roch nach Middle East. Und gegessen und gefeiert haben wir‘s trotzdem.